Kategorien
Channel crossings & UK

Small boats im Wahlkampf

Positionen britischer Parteien zur Kanalroute

Die bevorstehende Neuwahl der französischen Nationalversammlung führt die Möglichkeit vor Augen, dass Frankreich als liberale Demokratie scheitert. Die kurzfristig anberaumte Wahl am 30 Juni und 7. Juli fällt zeitlich mit der ebenfalls vorgezogenen Wahl des britischen Unterhauses am 4. Juli zusammen. Besteht in Frankreich die Gefahr einer von den Konservativen gestützten rechtsextremistischen Regierung, dürften die britischen Konservativen ihre parlamentarische Mehrheit verlieren. Sollte es zum erwarteten Machtwechsel in London kommen, so könnten sich Spielräume für eine Deradikalisierung der Grenzpolitik und für humanitäre Teillösungen eröffnen. Der historisch gewachsene Kern des Grenzregimes könnte zugleich jedoch auf eine problematische Weise gestärkt werden. Wir untersuchen in diesem Beitrag, welche Aussagen britische Parteien zur kananülergreifenden Migration und zur Grenzpolitik treffen.

Kategorien
Channel crossings & UK

Für die Aufarbeitung der Gewalt an den Stränden

Ende Mai veröffentlichten französische NGOs in der Libération die gemeinsame Erklärung A la frontière franco-britannique, la mort n’est pas une fatalité (An der britisch-französischen Grenze ist der Tod kein unabwendbares Schicksal). Damit wollen sie den Blick auf die Zunahme von Todesfällen in vergangenen Halbjahr lenken, den sie als Folge migrationspolitischer Fehlentscheidungen deuten. Zugleich unterstützten sie einen Vorstoß französischer Abgeordneter nach einer parlamentarischen Untersuchung zum Vorgehen der Ordnungskräfte und zur Lage der Menschenrechte im französisch-britischen Grenzraum. Lokale Initiativen legen währenddessen weitere Belege für ein gewaltsames Vorgehen gegen ablegende Schlauchboote vor.

Kategorien
Benelux & Deutschland Calais

Tödliche Irrfahrt nach Belgien

Bereits am 8. April 2024 starb ein Exilierter auf einer Autobahn in der Nähe der wallonischen Hauptstadt Namur. Offenbar hatte er sich in Calais in einem Lastwagen versteckt, der jedoch nicht, wie erhofft, nach Großbritannien fuhr. Seit Jahren geraten Exilierte immer wieder in solche Situationen, die nicht selten lebensgefährlich sind (siehe zuletzt hier).

Kategorien
Channel crossings & UK

Ausweichen ins Risiko

Bereits 10.000 Bootspassagen seit Jahresbeginn

Mehrsprachige Safety at sea-Informationen im Jungle von Loon-Plage, April 2024. (Foto: Calais Border Monitoring)

Die Zahl der Exilierten, die seit Jahresbeginn den Ärmelkanal in small boats überquert haben, hat am 24. Mai die Marke von 10.000 überschritten. An diesem Tag registrierten die britischen Behörden die Ankunft von fünf Booten mit 288 Passagier_innen, die Gesamtzahl stieg damit auf 10.170 Personen an. Es ist der höchste Wert, der im selben Zeitraum jemals registriert wurde. Damit wird aber auch deutlich, dass die kalte Jahreszeit sehr viel stärker als in der Vergangenheit für Überfahrten genutzt wird – immer öfter mit tödlichen Konsequenzen.

Kategorien
Channel crossings & UK

Britischer Ruanda-Deal vor dem Aus

Früher als erwartet, findet die britische Parlamentswahl bereits am 4. Juli 2024 statt. Mit der Ankündigung des Termins startet die heiße Phase das Wahlkampfs, in dem Migrationspolitik eine wesentliche Rolle spielen wird. Premierminister Sunak kündigte an, die Wahl auch zur Entscheidung darüber zu machen, ob Abschiebeflüge nach Ruanda starten werden oder nicht. Dabei räumte er am 23. Mai indirekt ein, dass seine Regierung es nicht schaffen werde, bis zum Wahltag mit den Abschiebungen zu beginnen; dies werde vielmehr erst geschehen, „wenn ich am 4. Juli wiedergewählt werde.“ Nun sprechen die Prognosen eindeutig gegen eine Wiederwahl Sunaks. Sie sehen die Labour Party als potenziellen Wahlsieger, und diese hat sich bereits darauf festgelegt, den Ruanda-Deal nicht weiter verfolgen zu wollen. Damit dürfte der migrationspolitische Tabubruch Großbritanniens seinem Ende zugehen.

Kategorien
Channel crossings & UK Dunkerque & Grande-Synthe

Kommerzielles Schleusen als strukturelle Gewalt

Journalistische Recherchen werfen Schlaglichter auf das Geschäft mit dem Grenzregime am Ärmelkanal

Es ist nicht möglich, das Geschehen auf der Kanalroute zu verstehen, ohne die Ökonomie, die Organisation und die Machtstrukturen des Schleusens in den Blick zu nehmen. Gleichzeitig ist dieser Blick verstellt, denn das hochprofitable Geschäft vollzieht sich in einer für uns unzugänglichen Sphäre. Regelmäßig melden lokale Medien die Festnahme oder Verurteilung einer involvierten Person, doch haben diese oft nur eine unbedeutende Rolle gespielt. Die zunehmende Kriminalisierung der Steuerleute der Schlauchboote weitet den Vorwurf der Schleusung auf die Geflüchteten selbst aus und geht damit völlig an den Profiteuren des Geschäfts vorbei. Aufwändige internationale Polizeiaktionen, teils koordiniert durch Europol, richten sich zwar gegen übergeordnete Akteure, doch zeigen sie auch, dass diese kaum greifbar sind. Und nicht zuletzt kommt es immer wieder zu Tötungsdelikten, die an mafiose Strukturen erinnern. Aktuelle Medienrecherchen ermöglichen nun partielle Einblicke.

Kategorien
Dunkerque & Grande-Synthe

Tod im Bourbourg-Kanal

Die seit dem vergangenen Herbst zu beobachtende Zunahme von Todesfällen setzt sich fort. Am Abend des 4. Mai 2024 wurde im Canal de Bourbourg bei Dunkerque die Leiche eines unbekannten Mannes entdeckt. Französische Medien gehen übereinstimmend davon aus, dass es sich um einen Geflüchteten handelt. Nach unserer Zählung ist es der 19. dokumentierte Todesfall im Zusammenhang mit der kanalübergreifenden Migration seit Jahrebeginn.

Kategorien
Channel crossings & UK

Auf dem Irrweg

Jungle von Calais, April 2016. (Foto: Th. Müller)

Migrationspolitik nach der Ratifizierung des Ruanda-Deals

Seit Ende April greift die britische Regierung zu Maßnahmen gegen sogenannte Illegale, die in liberalen Demokratien beispiellos sind: Nachdem Ruanda per Gesetz zum sicheren Drittstaat erklärt wurde, werden Geflüchtete inhaftiert, um sie im Sommer dorthin auszufliegen. Ein System zur Unterbringung Schutzsuchender verwandelt sich in ein System der Haft. Ein Teil der Betroffenen verlässt das Land und reist über die irische Landgrenze wieder in die EU ein, die sie mit der Passage des Ärmelkanals verlassen hatten. Irland kündigt Notstandsmaßnahmen an. Internationale Organisationen protestieren scheinbar folgenlos. Es ist ein Szenario, als würden Rassemblement National in Frankreich oder AfD in Deutschland die Agenda setzen. Was bedeutet dies? Für diejenigen, die per Boot oder Laster nach Großbritannien eingereist sind, sind die Folgen existenziell: Verlust der Freiheit. Abschiebung in ein Land, in das sie nie wollten. Scheitern der Reise, für die sie Leben und Besitz riskiert haben. Für manche noch Schlimmeres. Doch auch für liberale Demokratie, Menschenrechte und Rechtstaatlichkeit bedeutet der britische Irrweg eine Bedrohung. Wir versuchen einen Überblick.

Kategorien
Dunkerque & Grande-Synthe

Die Zäune von Loon-Plage

Zaun zwischen der Route du Port Fluvial und einem Bahngleis, April 2024. (Foto: Calais Border Monitoring)

Der Bau weitläufiger Zäune verändert seit einigen Monaten den Jungle von Loon-Plage. Wer für den Bau der Anlage verantwortlich ist, wer ihn finanziert und welches Ausbauziel erreicht werden soll, bedarf weiterer Recherchen. Doch bereits jetzt ist sichtbar, dass die Anlage einen Einschnitt darstellt. Dabei gilt die Situation im Jungle momentan als extrem angespannt.

Kategorien
Allgemein Channel crossings & UK

Tendenz zu größerer Brutalität

Brennendes Schlauchboot bei einem Polizeieinsatz, April 2024. Das Foto wurde von Exilierten aufgenommen und von Utopia 56 veröffentlicht. (Credits: Utopia 56)

Protokoll einer Recherche in Nordfrankreich

Mehrmals berichteten wir an dieser Stelle über gewaltsames Vorgehen gegen ablegende Boote an nordfranzösischen Stränden. Zudem registrierten wir, dass es bei Ablegemanövern wiederholt zu Todesfällen kam. Mitte April sprachen wir in Calais und Dunkerque mit mehreren NGOs über diese Entwicklung. Wir wollten verstehen, ob solche Fälle lediglich häufiger publik werden, oder ob sie eine Tendenz zur Wahl brutalerer Methoden anzeigen. Hier unser Protokoll.