Erneut wurden an der französischen Kanalküste die Körper von Menschen entdeckt, die offenkundig bei versuchten Bootspassagen nach Großbritannien ihr Leben verloren haben. Am 27. und 20. November 2024 wurden östlich von Calais und südlich von Boulogne-sur-Mer zwei Leichen angespült. Binnen weniger Wochen stieg die Zahl der Leichenfunde auf vierzehn.
Schlagwort: Marck
Ein mutmaßlicher Suizid
Im Gewerbegebiet Transmarck bei Calais fanden Geflüchtete am gestrigen 11. Mai 2022 die Leiche eines jungen Mannes vermutlich aus Eritrea. Er befand sich erhängt in einem stillgelegten Lastwagenanhänger und es wird vermutet, dass er sich selbst das Leben genommen hat. Wenn dies tatsächlich so war: Was sagt dieser Tod über die Grenze?
Für Abubaker
Die Familie und Freund_innen von Abubaker, der am 28. Februar in der Nähe des Camps Old Lidl an der Grenze Calais‘ zu seiner Nachbargemeinde Marck von einem Zug erfasst und tödlich verletzt worden ist, haben sich mit einer Erklärung an die Öffentlichkeit gewandt, die wir hier in eigener Übersetzung veröffentlichen.
Politik der gepflügten Erde
Das unter dem Namen Old Lidl bekannte Camp an der Stadtgrenze von Calais und Marck wird immer stärker unter Druck gesetzt. Am 4. März 2022 veränderten die Behörden die Topographie des Siedlungsplatzes auf brachiale Weise, indem sie den Boden umpflügten. Die Maßnahme reiht sich in eine Reihe ähnlicher Umweltveränderungen ein, die wir in Calais und Grande-Synthe seit einigen Jahren beobachten konnten und die auf den Entzug räumlicher Ressourcen und die Schaffung einer lebensfeindlichen Umgebung abzielen (siehe etwa hier, hier, hier und hier). Im konkreten Fall erhöht sie außerdem die Gefahr von Unfällen, weil sie Geflüchtete dazu drängt, ihre Fußwege auf eine vorbeiführende Bahntrasse zu verlegen. Vier Tage vor dem Pflügen starb genau auf diesem Gleis Aboubakar, ein sudanesischer Bewohner des Camps (siehe hier).
Tod am Old Lidl
Wieder ist ein Exilierter im Kontext des britisch-französischen Grenzregimes gestorben: Am 28. Februar gegen 19:15 Uhr wurde ein Mann aus dem Sudan in der Nähe des Camps Old Lidl an der Grenze Calais‘ zu seiner Nachbargemeinde Marck von einem Zug erfasst und tödlich verletzt. Die Präfektur des Pas-de-Calais gibt sein Alter mit 25 Jahren an. Der Mann sei mit einem Begleiter auf dem Bahngleis unterwegs gewesen, dieser habe nach einem akustischen Signal ausweichen können und sei unverletzt geblieben sei (vgl. InfoMigrants und Nord Littoral). Näheres über die Identität des Opfers ist bislang nicht bekannt.
Gestern hat der in den französischen Medien als rechtsextremer Polemiker beschriebene Präsidentschaftskandidat Éric Zemmour in Calais eine halbstündige Pressekonferenz zum Thema Migration und Europa gegeben und sich anschließend mit dem Direktor des Hafens, Jean-Marc Puissesseau, sowie Vertretern einer Polizeigewerkschaft getroffen. An einem Aussichtspunkt auf einem ehemaligen Bunker griff er vor Journalisten den rechtsextremen Kampfbegriff des „Großen Austauschs“ auf, erklärte Calais zum „Symbol des fehlenden Schutzes für Europäer, Franzosen und der Einwohner von Calais“, die verunsichert seien angesichts von „Gewalt, Verbrechen, Schmutz, Elend und fallenden Immobilienpreisen“, und forderte die bereits in seinem Wahlprogramm formulierte Abschaffung des ius soli, der Familienzusammenführung sowie aller sozialen Rechte und staatlicher medizinischer Versorgung für Nicht-EU-Ausländer_innen. Als Replik auf den am gleichen Tag von Emmanuel Macron vor dem Europäischen Parlament gehaltenen Rede, warf er diesem vor, sein Europa sei „ohne Körper, ohne Kopf und ohne Seele“.
Ein weiterer Tod in Transmarck
Wieder starb bei Calais ein junger Mann bei dem Versuch, sich auf einem Lastwagen nach Großbritannien zu verstecken. Soweit bisher bekannt ist, handelte es sich um den 18 Jahre alten Abdallah aus dem Sudan. Es ist der vierte Todesfall, der sich innerhalb weniger Monate im Gewerbegebiet Transmarck ereignet. Erst einen Tag vorher war ein weiterer Mann aus dem Sudan bei einer versuchten Bootspassage nach Großbritannien ertrunken (siehe hier). Die beiden Geflüchteten hatten in den Camps von Calais gelebt.
CS-Gas nach Gegenwehr
[Update, 3. Januar 2022] Bei einer Räumung in der Calaiser Nachbargemeinde Marck kam es am gestrigen 30. Dezember 2021 zu einer Auseinandersetzung zwischen der Polizeieinheit CRS und Bewohner_innen eines Camps. Auslöser war die Beschlagnahme von Zelten und insbesondere der Umstand, dass die Besitzer_innen nicht mehr ihre persönlichen Sachen aus den Zelten holen konnten. Die Gegenwehr mündete einer in größeren Auseinandersetzung zwischen Exilierten und CRS, die sich auf ein benachbartes Wohngebiet ausweitete und in deren Verlauf die Polizei massiv CS-Gas einsetzte.
Zwei Tote in Marck
In den vergangenen Tagen starb nicht nur ein Lastwagenfahrer nach einem Konflikt mit Exilierten, wovon unser voriger Beitrag handelt. Am gleichen Tag wurde in der Gemeinde Marck bei Calais die Leiche eines Menschen angespült – vermutlich ein Geflüchteter, der im Ärmelkanal ertrunken ist. In der folgenden Nacht verunglückte ebenfalls in Marck ein Jugendlicher tödlich beim Versuch, sich in einem Lastwagen mit dem Fahrtziel Großbritannien zu verstecken.
Die französisch- britische Grenze hat am Sonntagabend, dem 19. Dezember, ein weiteres Opfer gefordert. Es handelt sich um einen portugiesische LKW- Fahrer, der auf der Autobahn-Raststätte Aire de l’Épitre einem Herzstillstand erlag. Zuvor hatte er eine Auseinandersetzung mit mehreren Geflüchteten, die versuchten in seinen LKW zu gelangen. Wie die Regionalzeitung La Voix du Nord berichtet, wurde die Feuerwehr um 23:16 Uhr zu der Raststätte gerufen. Diese liegt an der A16, im Landesinneren zwischen Calais und Boulogne, und wird von TransitmigrantInnen häufiger genutzt um Zugang zu einem LKW zu bekommen. Bei ihrem Eintreffen fand die Feuerwehr den 48jährigen Fahrer mit Herz- und Atemstillstand vor. Versuche ihn wiederzubeleben blieben erfolglos.