Kategorien
Calais

Serie neuer Räumungen in Calais

Räumungen am 6. April, hier im eritreischen BMX-Camp. (Foto: Human Rights Observers)

Am Nachmittag des 6. April 2021 fand in Calais eine Serie neuer Räumungen statt. Sie richtete sich gegen insgesamt sechs Camps, war mit der Wegnahme von persönlichem Eigentum im großen Umfang verbunden und unterschied sich von den „normalen“ morgendlichen Polizeioperationen im 48-Stunden Turnus. Die Räumungen geschahen unangekündigt und überraschten die Geflüchteten, die zwar vor Ort bleiben konnten, aber kaum eine Möglichkeit hatten, ihre Sachen in Sicherheit zu bringen. Am heutigen 9. April folgten weitere Räumungen, die sich gegen die verbliebenen Camps unter den Quaibrücken in der Calaiser Innenstadt richteten. Wir werden auf die Entwicklung noch genauer eingehen und dokumentieren zunächst eine Presseerklärung der Human Rights Observers zu den Ereignissen am 6. April.

Kategorien
Calais Dunkerque & Grande-Synthe

Räumen, pflügen, Steinbarrieren

Umgepflügtes Gelände nach einer Räumung in Grande-Synthe, 10. März 2021 (Foto: NoNation Truck)

Während die Räumung eines eritreischen Camps in Calais durch eine bemerkenswerte juristische Intervention verhindert werden konnte (siehe hier), wurden andere migrantische Lebensorte in Grande-Synthe und Calais geräumt und unbrauchbar gemacht. Dabei griffen die Behörden zu brachialen Methoden: In Grande-Synthe wurde ein Gelände, das als Camp und Treffpunkt u.a. mit improvisierten Teestuben gedient hatte, nach der Räumung umgepflügt. In Calais wurde ein von Migrant_innen genutztes Gewerbegrundstück mit tonnenschweren Felsklötzen versperrt.

Kategorien
Calais

Ein juristischer Erfolg: Räumung des BMX-Camp abgewendet

In der Nähe des BMX-Camps. (Foto: Auberge des Migrants)

Am 18. März 2021 wurde auf dem Gelände des BMX-Camps am östlichen Rand von Calais eine Räumungsverfügung der Kommune ausgehängt. Dies ist das übliche Verfahren, mit dem Räumungen eingeleitet werden, die auf eine Auflösung des betreffenden Siedlungsplatzes zielen und sich dadurch von den viel häufigeren Räumungen im 48-Stunden-Turnus unterscheiden. Wie auch in vergleichbaren Fällen (siehe u.a. hier und hier), beinhaltete das Verfahren eine Anhörung vor dem Verwaltungsgericht, die für den 23. März anberaumt war. Das Gericht lehnte den Räumungswunsch der Stadt ab.

Kategorien
Calais Dunkerque & Grande-Synthe

Räumungen und Beschlagnahmungen: Eine Zwischenbilanz

Räumung in Calais am 2. März 2021. Beschlagnahmt wurden u.a. 26 Zelte. (Foto: Human Rights Observers)

In Calais und Grande-Synthe wurde im vergangenen Jahr mehr als 1.000 mal ein migrantisches Camp geräumt, und nahezu bei jeder dieser Operationen wurden Schutzgüter und persönlicher Besitz der Geflüchteten beschlagnahmt. Erwartungsgemäß setzt sich diese Politik der gezielten Prekarisierung auch in diesem Jahr fort. Allein im Januar und Februar wurden in Calais und Grande-Synthe 206 Räumungen dokumentiert, in deren Verlauf mindestens 1.318 Zelte und 587 Schlafsäcke beschlagnahmt (d.h. in vielen Fällen: zerstört) wurden. Der Umfang der Beschlagnahmungen liegt damit um das Dreifache höher als vor einem Jahr. Und es zeichnet sich ab, dass auch die in Nordfrankreich seit Anfang März virulente dritte Welle der Corona-Pandemie nicht zu einem Aussetzen dieser Operationen führen wird.

Kategorien
Calais

Politikwandel und Räumungs-Moratorium: Eine Intervention der Kirche

In Calais bestand seit Dezember 2020 la Crèche (die Krippe), eine kirchliche Nachtunterkunft für rund 15 minderjährige und schutzbedürftige Migrant_innen (siehe hier). Die konservative Bürgermeisterin Natacha Bouchart ließ die Einrichtung schließen – ausgerechnet in den letzten Tagen der Kälteperiode im Februar, und ausgerechnet unter Verweis auf die Sicherheit der Bewohner_innen. Daraufhin fordern prominente Vertreter_innen der katholischen Kirche und der französischen Caritas (Secours Catholique) nun einen Stopp der Räumungen und Verhandlungen über eine grundlegend andere Migrationspolitik.

Kategorien
Calais

Räumungen in Virval und am Krankenhaus

Am gestrigen 25. Februar 2021 führte die Präfektur im Stadtteil Vivral und am Krankenhauses erneut sogenannte mise à l’abri-Operationen durch. Es handelt sich um vermeintlich humanitäre Räumungen, in deren Verlauf die Bewohner_innen der betroffenen Camps nominell freiwillig, oftmals aber gegen ihren Willen, in Zentren (CAES) außerhalb von Calais gebracht werden. Während der aktuellen Räumungen wurden mehr als hundert Personen in diese Einrichtungen transportiert und mehr als 20 festgenommen.

Kategorien
Calais Dunkerque & Grande-Synthe

Vertreibung mit Privatsphäre

Französischer Staatsrat verwirft Klage wegen Behinderung der Berichterstattung

Am 3. Februar 2021 haben zwei Journalist.innen, die nationale Journalistengewerkschaft und die Organisation Utopia 56 vor dem französischen Staatsrat eine juristische Niederlage erlitten. Gegenstand der juristischen Auseinandersetzung, in der der Staatsrat in etwa eine Rolle wie das deutsche Bundesverfassungsgericht einnahm, war im Wesentlichen die Frage, ob die Polizei den Journalist.innen während der regelmäßigen Räumungen den Zugang zu den Camps verweigern und damit eine Berichterstattung behindern darf, oder ob damit eine grundrechtswidrige Einschränkung der Pressefreiheit einhergeht. Das französische Innenministerium als Streitgegner legte in diesem Verfahren eine überraschende Rechtfertigung des polizeilichen Absperrgürtels vor; der Staatsrat legte in seiner Urteilsbegründung hohe Hürden an, um eine Beeinträchtigung der Pressefreiheit als erfüllt anzusehen. 

Kategorien
Calais Dunkerque & Grande-Synthe

Frost

Über eine lebensbedrohliche Lage und ihren Kontext

Verschneites Zelt in einem behelfsmäßigen Camp von Geflüchteten im nordfranzösischen Grande-Synthe, Februar 2021 (Foto: Julia Durelle)

Das übliche Winterwetter in Nordfrankreich ist nasskalt, mit Temperaturen etwas über dem Gefrierpunkt, kaltem Wind und aufgeweichten Böden. Dies macht das Leben in einem Camp schwer, zermürbend und ungesund. Frostperioden hingegen sind selten. In der vergangenen Woche aber frierte es kontinuierlich. Die Temperaturen fielen auf minus sechs bis sieben Grad, gefühlt lagen sie noch darunter. Die Behörden aktivierten humanitäre Notfallpläne für die in den Camps lebenden Menschen. Natürlich ist dies zu begrüßen. Aber dennoch zeigt sich nun drastisch, wie unzureichend solche Maßnahmen sind, und mehr noch: dass auch ihnen die Logik eingeschrieben ist, die Lebensbedingungen auch dann abschreckend zu erhalten, wenn es das Schlimmste zu verhindern gilt.

Kategorien
Calais

Räumungen als Enteignung

Eine Recherche in Calais

Einsatzfahrzeuge des Konvoi. (Foto: Th. Müller)

Im Januar 2021 hatten wir Gelegenheit, die Calaiser Initiative Human Rights Observers (HRO) einen Tag lang zu begleiten. Gemeinsam folgten wir dem Polizeikonvoi, der an diesem Tag insgesamt sieben Camps räumte, und danach fuhren wir zu einem Ort, an den ein Teil der dabei beschlagnahmten Gegenstände gebracht wird. Was wir beobachten, war der Normalfall: Nichts an diesem Tag war etwas anderes als Routine. Es kam, soweit wir sehen konnten, nicht zu physischer Gewalt. Und oft hatten die betroffenen Menschen ihre Sachen bereits vor der Polizei in Sicherheit gebracht – sie hatten sich sozusagen selbst geräumt. Manchmal, so erzählten die beiden Freiwilligen der HRO, würden sie Journalist_innen mitnehmen. Es komme vor, dass diese eine falsche Vorstellung von den Räumungen hätten, auf spektakuläre Bilder hofften und enttäuscht seien, wenn nichts eskaliere. Aber es ist offentlichtlich, dass gerade das Routinierte den Kern der Gewalt ausmacht. Diese Normalität wollen wir daher möglichst präzise beschreiben.

Kategorien
Calais

Massive Räumung im Zentrum von Calais

Räumung in der Calaiser Innenstadt, 19. Januar 2021. Im Hintergrund das Rathaus, von wo aus die Operation veranlasst wurde. (Foto: Cabane Juridique)

In der Calaiser Innenstadt hat am gestrigen 19. Januar 2021 eine der größten Räumungsoperationen der letzten Moante stattgefunden. Sie richtete sich gegen Migrant_innen, die ihre Zelte unter Brücken an den Quais in der Nähe des Rathauses aufgestellt hatten. Die Räumung war erwartet worden, nachdem am 16. Dezember 2020 eine entsprechende Verfügung das Stadt Calais ausgehängt worden war und das Verwaltungsgericht in Lille die Räumung am 24. Dezember erlaubt hatte (siehe hier). Gleichwohl bezeichnen Beobachter_innen den Umfang der Operation als außergewöhnlich.