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Calais Solidarität

Ein juristischer Erfolg: Räumung des BMX-Camp abgewendet

In der Nähe des BMX-Camps. (Foto: Auberge des Migrants)

Am 18. März 2021 wurde auf dem Gelände des BMX-Camps am östlichen Rand von Calais eine Räumungsverfügung der Kommune ausgehängt. Dies ist das übliche Verfahren, mit dem Räumungen eingeleitet werden, die auf eine Auflösung des betreffenden Siedlungsplatzes zielen und sich dadurch von den viel häufigeren Räumungen im 48-Stunden-Turnus unterscheiden. Wie auch in vergleichbaren Fällen (siehe u.a. hier und hier), beinhaltete das Verfahren eine Anhörung vor dem Verwaltungsgericht, die für den 23. März anberaumt war. Das Gericht lehnte den Räumungswunsch der Stadt ab.

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Calais Dunkerque & Grande-Synthe

Räumungen und Beschlagnahmungen: Eine Zwischenbilanz

Räumung in Calais am 2. März 2021. Beschlagnahmt wurden u.a. 26 Zelte. (Foto: Human Rights Observers)

In Calais und Grande-Synthe wurde im vergangenen Jahr mehr als 1.000 mal ein migrantisches Camp geräumt, und nahezu bei jeder dieser Operationen wurden Schutzgüter und persönlicher Besitz der Geflüchteten beschlagnahmt. Erwartungsgemäß setzt sich diese Politik der gezielten Prekarisierung auch in diesem Jahr fort. Allein im Januar und Februar wurden in Calais und Grande-Synthe 206 Räumungen dokumentiert, in deren Verlauf mindestens 1.318 Zelte und 587 Schlafsäcke beschlagnahmt (d.h. in vielen Fällen: zerstört) wurden. Der Umfang der Beschlagnahmungen liegt damit um das Dreifache höher als vor einem Jahr. Und es zeichnet sich ab, dass auch die in Nordfrankreich seit Anfang März virulente dritte Welle der Corona-Pandemie nicht zu einem Aussetzen dieser Operationen führen wird.

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Calais Solidarität

Politikwandel und Räumungs-Moratorium: Eine Intervention der Kirche

In Calais bestand seit Dezember 2020 la Crèche (die Krippe), eine kirchliche Nachtunterkunft für rund 15 minderjährige und schutzbedürftige Migrant_innen (siehe hier). Die konservative Bürgermeisterin Natacha Bouchart ließ die Einrichtung schließen – ausgerechnet in den letzten Tagen der Kälteperiode im Februar, und ausgerechnet unter Verweis auf die Sicherheit der Bewohner_innen. Daraufhin fordern prominente Vertreter_innen der katholischen Kirche und der französischen Caritas (Secours Catholique) nun einen Stopp der Räumungen und Verhandlungen über eine grundlegend andere Migrationspolitik.

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Calais

Räumungen in Virval und am Krankenhaus

Am gestrigen 25. Februar 2021 führte die Präfektur im Stadtteil Vivral und am Krankenhauses erneut sogenannte mise à l’abri-Operationen durch. Es handelt sich um vermeintlich humanitäre Räumungen, in deren Verlauf die Bewohner_innen der betroffenen Camps nominell freiwillig, oftmals aber gegen ihren Willen, in Zentren (CAES) außerhalb von Calais gebracht werden. Während der aktuellen Räumungen wurden mehr als hundert Personen in diese Einrichtungen transportiert und mehr als 20 festgenommen.

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Calais Dunkerque & Grande-Synthe

Vertreibung mit Privatsphäre

Französischer Staatsrat verwirft Klage wegen Behinderung der Berichterstattung

Am 3. Februar 2021 haben zwei Journalist.innen, die nationale Journalistengewerkschaft und die Organisation Utopia 56 vor dem französischen Staatsrat eine juristische Niederlage erlitten. Gegenstand der juristischen Auseinandersetzung, in der der Staatsrat in etwa eine Rolle wie das deutsche Bundesverfassungsgericht einnahm, war im Wesentlichen die Frage, ob die Polizei den Journalist.innen während der regelmäßigen Räumungen den Zugang zu den Camps verweigern und damit eine Berichterstattung behindern darf, oder ob damit eine grundrechtswidrige Einschränkung der Pressefreiheit einhergeht. Das französische Innenministerium als Streitgegner legte in diesem Verfahren eine überraschende Rechtfertigung des polizeilichen Absperrgürtels vor; der Staatsrat legte in seiner Urteilsbegründung hohe Hürden an, um eine Beeinträchtigung der Pressefreiheit als erfüllt anzusehen. 

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Calais Dunkerque & Grande-Synthe

Frost

Über eine lebensbedrohliche Lage und ihren Kontext

Verschneites Zelt in einem behelfsmäßigen Camp von Geflüchteten im nordfranzösischen Grande-Synthe, Februar 2021 (Foto: Julia Durelle)

Das übliche Winterwetter in Nordfrankreich ist nasskalt, mit Temperaturen etwas über dem Gefrierpunkt, kaltem Wind und aufgeweichten Böden. Dies macht das Leben in einem Camp schwer, zermürbend und ungesund. Frostperioden hingegen sind selten. In der vergangenen Woche aber frierte es kontinuierlich. Die Temperaturen fielen auf minus sechs bis sieben Grad, gefühlt lagen sie noch darunter. Die Behörden aktivierten humanitäre Notfallpläne für die in den Camps lebenden Menschen. Natürlich ist dies zu begrüßen. Aber dennoch zeigt sich nun drastisch, wie unzureichend solche Maßnahmen sind, und mehr noch: dass auch ihnen die Logik eingeschrieben ist, die Lebensbedingungen auch dann abschreckend zu erhalten, wenn es das Schlimmste zu verhindern gilt.

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Calais

Räumungen als Enteignung

Eine Recherche in Calais

Einsatzfahrzeuge des Konvoi. (Foto: Th. Müller)

Im Januar 2021 hatten wir Gelegenheit, die Calaiser Initiative Human Rights Observers (HRO) einen Tag lang zu begleiten. Gemeinsam folgten wir dem Polizeikonvoi, der an diesem Tag insgesamt sieben Camps räumte, und danach fuhren wir zu einem Ort, an den ein Teil der dabei beschlagnahmten Gegenstände gebracht wird. Was wir beobachten, war der Normalfall: Nichts an diesem Tag war etwas anderes als Routine. Es kam, soweit wir sehen konnten, nicht zu physischer Gewalt. Und oft hatten die betroffenen Menschen ihre Sachen bereits vor der Polizei in Sicherheit gebracht – sie hatten sich sozusagen selbst geräumt. Manchmal, so erzählten die beiden Freiwilligen der HRO, würden sie Journalist_innen mitnehmen. Es komme vor, dass diese eine falsche Vorstellung von den Räumungen hätten, auf spektakuläre Bilder hofften und enttäuscht seien, wenn nichts eskaliere. Aber es ist offentlichtlich, dass gerade das Routinierte den Kern der Gewalt ausmacht. Diese Normalität wollen wir daher möglichst präzise beschreiben.

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Calais

Massive Räumung im Zentrum von Calais

Räumung in der Calaiser Innenstadt, 19. Januar 2021. Im Hintergrund das Rathaus, von wo aus die Operation veranlasst wurde. (Foto: Cabane Juridique)

In der Calaiser Innenstadt hat am gestrigen 19. Januar 2021 eine der größten Räumungsoperationen der letzten Moante stattgefunden. Sie richtete sich gegen Migrant_innen, die ihre Zelte unter Brücken an den Quais in der Nähe des Rathauses aufgestellt hatten. Die Räumung war erwartet worden, nachdem am 16. Dezember 2020 eine entsprechende Verfügung das Stadt Calais ausgehängt worden war und das Verwaltungsgericht in Lille die Räumung am 24. Dezember erlaubt hatte (siehe hier). Gleichwohl bezeichnen Beobachter_innen den Umfang der Operation als außergewöhnlich.

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Calais Dunkerque & Grande-Synthe

Über 1.000 Räumungen im Jahr 2020

Räumung am 3. Januar 2020. (Foto: Human Rights Observers)

Die Lebensorte von Exilierten in/bei Calais waren im Laufe des Jahres 2020 mindestens 973 mal von Räumungen betroffen; mindestens 85 weitere Räumungen wurden in Grande-Synthe bei Dunkerque registriert. Beide Zahlen ergeben sich aus Beobachtungen der Human Rights Observers. Bereits am 1. Januar wurden an fünf Plätze in Calais die ersten Räumungen des Jahres 2021 dokumentiert. Weitere Räumungen an sieben Plätzen folgten am 3. Januar: „Die Bewohner hatten nicht die Zeit, ihre persönlichen Sachen wegzubringen; mindestens 12 Zelte wurden beschlagnahmt sowie Decken und Kleider.“ Lakonisch kommentiert die Initiative: „Fundamentale Rechte werden an der französisch-britischen Grenze auch 2021 nicht respektiert.“

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Calais Dunkerque & Grande-Synthe

„Fundamentale Rechte werden an der Grenze weiterhin nicht beachtet“

Zerschneiden von Zelten bei einer Räumung in Grande-Synthe am 29. Dezember 2020. (Foto: Utopia 56)

Mit dieser Bemerkung beendet die Initiative Human Rights Observers einen Großteil ihrer Berichte über die anhaltenden Räumungen in Calais und Grande-Synthe. Im Jahr 2020 schrieben sie dies zuletzt am 30. Dezember  – nach über tausend Räumungen in beiden Städten im Verlauf dieses Jahres. Hier ein Überblick über einige neue Fälle.