Der Fund einer Leiche an einem Strand bei Sangatte westlich von Calais dokumentiert die katastrophale Situation an der Kanalküste ein weiteres Mal. Die Umstände deuten darauf hin, dass es sich bei dem Toten um einen Exilierten handelt, der bei einer versuchten Bootspassage nach Großbritannien starb.
Schlagwort: Bootspassagen
Bei einer versuchten Bootspassage nach Großbritannien verloren am heutigen 30. Oktober 2024 mindestens vier Menschen das Leben. Einer von ihnen starb während einer Bergungsaktion, die Leichen der anderen anderen wurden im Verlauf des Tages an den Strand gespült. Damit setzt sich ein Muster von Todesfällen fort, die sich momentan wöchentlich in sehr ähnlicher Form ereignen. Schauplatz der aktuellen Todesfälle war das Küstengebiet südlich von Boulogne-sur-Mer.
Wieder ein Todesfall
Bei einer versuchten Bootspassage nach Großbritannien ist erneut ein Mensch gestorben. Wie La voix du Nord und BBC melden, ereignete sich das Unglück am Morgen des heutigen 27. Oktober 2024 vor Tardinghen, einer Gemeinde zwischen Calais und Boulogne-sur-Mer. Offenbar havarierte ein Boot mit über 50 Passagier_innen kurz nach der Abfahrt. Die Menschen konnten zum Ufer zurückschwimmen. Ein etwa vierzigjähriger Mann aus Indien habe jedoch einen Herzstillstand erlitten. Wiederbelebungsversuche durch die Rettungskräfte hatte keinen Erfolg.
Am 25. Oktober 2024 erreichten 424 Menschen in sieben Schlauchbooten britisches Hoheitsgebiet. Mit ihnen stieg die Zahl der Channal migrants in diesem Jahr auf über 29.500. Damit haben im laufenden, von zahlreichen Todesfällen überschatteten, Jahr bereits mehr Menschen den Ärmelkanal auf diese riskante Weise passiert als im gesamten Jahr 2023. Das Jahr 2024 ist damit dasjenige mit den zweitmeisten Bootspassagen.
Erneut kam es im Ärmelkanal zu einer tödlichen Havarie, die drei Menschen das Leben kostete. Das Unglück ereignete sich weniger als eine Woche nach dem Tod eines Säuglings und knapp zwei Wochen nach vier weiteren Todesfällen (siehe hier und hier). Damit verfestigt sich die Beobachtung, dass in diesem Herbst nahezu wöchentlich Exilierte an der nordfranzösischen Küste sterben.
[Mit einem Update] Erneut starb bei einer gescheiterten Bootspassage nach Großbritannien ein Kind. Nach Angaben der Behörden wurde es leblos aus dem Meer geborgen, nachdem ein Schlauchboot am Abend des 17. Oktober 2024 im Küstengebiet vor Wissant in Schwierigkeiten geraten war. Es ist der dritte tödliche Zwischenfall in diesem Monat, nachdem Anfang Oktober bereits vier Exilierte ihr Leben verloren hatten.
Nach einer Schlechtwetterphase, in der kaum Schlauchboote übersetzten, war der 5. Oktober 2024 der Tag mit den meisten Bootspassagen seit Jahresbeginn. Am diesem Tag kam es zu zwei weiteren tödlichen Ereignissen. Dabei starben vier Menschen, unter ihnen ein Kind im Alter von zwei Jahren. Mit ihrem Tod setzt sich die fatale Dynamik der Vormonate fort. Seit Jahresbeginn starben 57 Menschen bei dem Versuch, Großbritannien zu erreichen. Mit dem Beginn der kalten Jahreszeit steigt ihre Zahl noch stärker an.[Updated, 6. Oktober 2024]
Seit Jahrsbeginn haben über 25.000 Menschen den Ärmelkanal in small boats überquert. Das Jahr 2024 dürfte, sollte sich die Entwicklung fortsetzen, bei einem leichten Anstieg gegenüber 2023 das Jahr mit den zweitmeisten Bootspassagen werden. Insgesamt zeichnet sich ein Einpendeln der jährlichen Channel crossings bei annähernd 30.000 Personen ab. Gleichzeitig häufen sich Berichte über dramatische und gewalttätige Situationen; in immer kürzeren Abständen sterben immer mehr Menschen, weitere sind auf See verschollen. Die Kanalroute hat sich von der vergleichsweise sicheren maritimen Passage in der Zeit um 2020 (siehe hier) zu einer der riskantesten Migrationsrouten innerhalb Europas entwickelt. Dies wird so bleiben, denn es hat strukturelle Ursachen.
Bootspassagen nach Großbritannien beginnen nicht nur im Küstengebiet bei Dunkerque, Calais und Boulogne-sur-Mer. In diesem Jahr legten auch von der Küste der Picardie mehr Schlauchboote nach Großbritannien ab. In der Folge verstärkten die Behörden dort ihre Präsenz. Der zunehmende Überwachungsdruck im Zentrum des Geschehens könnte das Ausweichen auf neue Küstengebiete verstärken.
Das Border Security Command und die Re-Europäisierung der britischen Migrationspolitik
Am Tag ihres Amtsantritts, dem 5. Juli 2024, beendete die Labour-Regierung den Plan ihrer Vorgängerregierung, Geflüchtete nach der Überquerung des Ärmelkanals nach Ruanda zu verbringen. Auch der Illegal Migration Act, das gesetzgeberische Kernstück dieser Politik, wurde damit hinfällig. Aus den eingesparten Mitteln wird nun eine neue Institution geschaffen, um Polizei, Strafverfolgung und Nachrichtendienste zu bündeln: Das Border Security Command (BSC). Zugleich will die Regierung Starmer Antiterror-Methoden gegen Schleusungskriminalität anwenden und wieder stärker auf die europäische Zusammenarbeit setzen – voraussichtlich mit fatalen indirekten Folgen für die Exilierten auf der Kanalroute.