Die Zahl der Exilierten, die innerhalb einer Woche an der nordfranzösischen Küste starben, erhöht sich auf vier. Bereits am 19. und 20. März hatten zwei Menschen auf See ihr Leben verloren (siehe hier). Am 21. März wurde ein junger Migrant erhängt in einem Dünengebiet bei Tardinghen aufgefunden und am 24. März an einem Strand bei Calais der leblose Körper einer Frau entdeckt.
Autor: tm
Nach einer Schlechtwetterphase fanden in den vergangenen Tagen zahlreiche Bootspassagen nach Großbritannien statt. Dabei starben am 19. und 20. März 2025 zwei Exilierte. Ihr Tod ist symptomatisch: Die im Herbst 2023 begonnene Häufung tödlicher Situationen dauert an und dürfte im bevorstehenden Sommerhalbjahr, wenn die Kanalroute stärker frequentiert werden wird, kaum enden.
Ein fataler Einsatz (2)
Nachdem Utopia 56 den Einsatz von Gewalt gegen ein bereits auf See befindliches Schlauchboot öffentlich gemacht hat (siehe hier), berichtet das Kollektiv La Margelle nun von einem vergleichbaren Fall. Dies stärkt den Verdacht, dass es sich bei diesem illegalen Vorgehen nicht um Einzelfälle handelt.
Die NGO Utopia 56 macht das fatale Fehlverhalten eines Angehörigen der Gendarmerie öffentlich. Dieser habe im vergangenen Herbst den Luftschlauch eines Bootes durchstochen, das sich bereits im Wasser befand, woraufhin eine Panik ausbrach und eine junge Frau zu ertrinken drohte. Die Frau überlebte knapp, trug aber schwere gesundheitliche Beeinträchtigen davon. Während die Präfektur die Vorwürfe abstreitet, hat Utopia 56 nun die Staatsanwaltschaft eingeschaltet.
Bei der bislang tödlichsten Havarie auf der Kanalroute starben am 24. November 2021 mindestens 27 Menschen; vier weitere sind seither vermisst, lediglich zwei überlebten. Nach der Havarie wurden gravierende Fehler und Versäumnisse der Rettungsleitstellen bekannt, die auf verschiedenen Ebenen – juristisch und journalistisch, auf britischer und auf französischer Seite – aufgearbeitet wurden und werden. Vom 3. bis 27. März 2025 beschäftigt sich nun in London das Cranston Inquiry, eine öffentliche Untersuchungskommission, mit der Katastrophe.
An einem Strand in Marck bei Calais wurde am 8. März 2025 die Leiche eines älteren Mannes entdeckt, der während einer Bootspassage nach Großbritannien gestorben war. Möglicherweise kam während einer anderen Bootspassage am gleichen Tag ein Jugendlicher ums Leben.
Im September 2020 verbot der französische Staat die Verteilung von Nahrung und Getränken an Geflüchtete in bestimmten Teilen von Calais, sofern diese nicht mit staatlichem Mandat erfolgte (siehe hier). Die Verbote verschärften die humanitäre Dauerkrise in den Camps und schränkten die Handlungsmöglichkeiten zivilgesellschaftlicher Organisationen empfindlich ein. Nach viereinhalb Jahren steht nun fest: Das damalige Vorgehen der Behörden war rechtswidrig.
Zum ersten Mal seit 2020 (siehe hier) besuchten die Innenminister_innen Frankreichs und Großbritanniens am 27. Februar 2025 die nordfranzösische Küste, um über die Bekämpfung der irregulären Migration zu sprechen. Ihre Reise gibt einen Einblick in die Vorhaben der kommenden Monate, wirft aber zugleich ein Schlaglicht auf Verwerfungen innerhalb der gemeinsamen Grenzpolitik.
Im Jahr 2024 retteten französische Einsatzkräfte über 6.300 Exilierte aus Seenot, wie aus dem nun vorgelegten Jahresbericht der Seepräfektur hervorgeht. Zugleich unterstreicht der Bericht, dass noch nie so viele Migrant_innen ihr Leben verloren wie 2024. Die Behörde benennt hierfür im Wesentlichen dieselben Faktoren wie die im Küstengebiet tätigen NGOs.
In den frühen Morgenstunden des 15. Februar 2025 havarierte vor Calais ein Schlauchboot mit 70 Geflüchteten an Bord. Dabei starb eine Person. Die Zahl der Todesopfer an der EU-Außengrenze zu Großbritannien steigt damit auf sieben seit Jahresbeginn.