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Channel crossings & UK

CS-Gas gegen ablegendes Schlauchboot

Teil eines CS-Gas-Geschosses, 6./7. Februar 2023. (Foto: Utopia 56 / Twitter)

Wenn Schlauchboote von der nordfranzösischen Küste ablegen, ist dies für die französische Polizei und Gendarmerie die letzte Gelegenheit, um eine Bootspassage abzubrechen. Hierbei kam es in der Vergangenheit wiederholt zu Gewalt, die, weil sie meist bei Nacht an menschenleeren Strandabschnitten ausgeübt wird, selten dokumentiert wird (siehe hier, hier und hier). Über einen aktuellen Fall, bei dem Polizist_innen ein Boot mit CS-Gas beschossen, berichtet nun Utopia 56.

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Calais Dunkerque & Grande-Synthe

Wie eine Leistungsschau repressiver Grenzpolitik

Human Rights Observers dokumentieren einen Höchstwert von über 1.700 Räumungen im Jahr 2022

Verortung von Fällen und Opfern von Polizeigewalt in Frankreich seit 2018. (Screenshot: Violences Policières)

Im Jahr 2022 stieg die Zahl der Räumungen informeller Lebensorte von Geflüchteten auf einen Höchstwert. Es waren über 1.700 Fälle, davon 96,5 % in Calais und die übrigen in der Umgebung von Dunkerque. Auch die Zahl der beschlagnahmten oder zerstörten Subsistenzgüter und persönlichen Sachen bleibt hoch. Die französische Grenzregion erweist sich damit einmal mehr ein Raum, in dem rechtstaatliche Normen im Vollzug einer restriktiven grenzpolitischen Agenda gebeugt werden. Dies verdeutlicht auch ein Vergleich der nordfranzösischen Grenzregion mit dem übrigen Frankreich.

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Calais

Polizeigewalt in Calais

In der Nacht vom 22. auf den 23. August kam es in Calais zu einem Vorfall von mutmaßlicher Polizeigewalt, in dessen Verlauf zwei 18jährige Eritreer von Beamten der Compagnie Républicaine de Securité (CRS) misshandelt und hilflos zurückgelassen wurden. Polizeigewalt gegenüber Exilierten ist in Calais nicht selten; das besondere an dem genannten Vorfall ist die spätere Meldung eines anonymen Zeugen – nach eigenen Angaben selbst Angehöriger der CRS.

Wir dokumentieren im folgenden die Erklärung der Organisation Utopia 56 vom 8. September 2022 zu dem Vorfall in eigener Übersetzung.

Nach Presseberichten hat die Staatsanwaltschaft von Boulogne-sur-Mer inzwischen Ermittlungen aufgenommen und die in Frankreich für die Aufklärung von durch Polizist_innen begangene Straftaten zuständige Inspection générale de la Police nationale (IGPN) mit der Untersuchung des Vorfalls beauftragt.

Screenshot aus der Pressemitteilung von Utopia56 (Foto: Utopia 56)
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Calais

Ein bisschen kolonial

Polizeikontrolle in Calais, 12. Juli 2022 (Quelle: Human Rights Observers / Twitter)

Einen Einblick in die Lebenswirklichkeit on the move gibt ein Video, das Betroffene während einer Polizeikontrolle am 12. Juli 2022 in Calais aufnahmen. Der von Human Rights Observers veröffentlichte Film zeigt, wie Angehörige der Polizeieinheit CRS sich über Exilierte lustig machen und ihnen ihre Überlegenheit demonstrieren. Ihr Ton ist höhnisch und herablassend, und sie selbst sind es, die in flapsigem Ton auf koloniale Muster Bezug nehmen. „Polizeigewalt dieser Art gibt es ständig. Der Unterschied ist, dass es normalerweise keine Bilder gibt“, sagte Laure Saboureux von Human Rights Observers dem französischen Onlinemedium InfoMigrants. „Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs“.

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Calais Dunkerque & Grande-Synthe

Utopia 56 über Polizeigewalt im Vorfeld von Bootspassagen

Seit Beginn des Jahres gelang rund 14.000 Menschen die Bootspassage des Ärmelkanals. Auf ihrer Reise sind die nordfranzösischen Strände der letzte Ort, an dem die französischen Behörden regulär und systematisch eingreifen, um das Ablegen der Boote zu unterbinden. Befindet sich ein Boot bereits auf See, wird es in den französischen Hoheitsgewässern nicht an der Weiterfahrt gehindert – so die Faustregel, bevor im Frühjahr dann doch ein Pullback-Fall bekannt wurde (siehe hier). Nach wie vor aber fokussieren die Polizei- und Gendarmeriebehörden ihre personellen und technischen Ressourcen auf einschlägige Küstenstreifen und deren Hinterland; auch die Luftüberwachung durch Frontex konzentriert sich auf dieses Gebiet. Die weitläufigen und bei Nacht meist menschenleeren Strand- und Dünengebiete sind zum Schauplatz der Auseinandersetzung um das Ablegen der Boote geworden, in deren Verlauf es schon in der Vergangenheit zu gewalttätigen Übergriffen auf Migrant_innen kam (siehe hier). Aktuell meldet Utopia 56 eine Zunahme dieser Form grenzpolitischer Gewalt und macht drei Fälle öffentlich, die sich zwischen dem 3. und 6. Juli 2022 ereignet haben.

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Calais Dunkerque & Grande-Synthe

Über 600 Räumungen seit Jahresbeginn

Räumung bei Dunkerque. (Foto: Human Rights Observers)

Im Gebiet von Calais und Dunkerque haben seit Jahresbeginn mehr als 600 Räumungen informeller Lebensorte von Exilierten stattgefunden. Während die Polizeioperationen in Calais weiterhin in großer Zahl und enger zeitliche Taktung durchgeführt werden, finden sie in Grande-Synthe und anderen Randbereichen von Dunkerque seltener, dafür aber sehr viel massiver statt. Die kontinuierliche Beobachtung durch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Observers (HRO) zeigt Kontinuitäten und Veränderungen dieser grenzpolitischen Praxis, vor allem aber dokumentieren sie den anhaltenden menschenrechtlichen Erosionsprozess an der französischen Kanalküste. Gleichzeitig versucht HRO, diese Zustände mit rechtlichen Mitteln anzugreifen.

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Calais Solidarität

Die Brutalität von Calais auf der Ebene von ganz Frankreich?

Die Organisation L’Auberge des Migrants hat eine Erklärung zur Stichwahl zur französischen Präsidentschaft veröffentlich. Wir dokumentieren sie in eigener Übersetzung.

Wir wenden uns aus Calais an Euch, einem toten Winkel Frankreichs, einer Enklave und einem Experimentierfeld für autoritäre Macht, das einen Vorgeschmack darauf gibt, wie das Land aussehen könnte, sollte Marine Le Pen zur Präsidentin gewählt werden. 

Foto: Père Igor, Lizenz CC BY-SA 4.0
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Calais Dunkerque & Grande-Synthe

Über 1200 Räumungen im Jahr 2021

Räumung in Calais. (Foto: Human Rights Observers)

Durch die tägliche Präsenz von Human Rights Obervers (HRO) sind wir in der Lage, nicht nur das momentane Ausmaß der Räumungspolitik in Calais und Grande-Synthe zu verfolgen. Das Datenmaterial ermöglicht es auch, Entwicklungen über längere Zeiträume zu analysieren. Dabei wird einmal mehr sichtbar, mit welch hohem logistischen Aufwand die elenden Lebensverhältnisse der Exilierten hergestellt werden und welch eine zentrale Rolle der Ressourcenentzug dabei spielt. Konkret liegt die Zahl der dokumentierten Räumungen allein in Calais über 1.200. Bei diesen Aktionen wurden in Calais und Grande-Synthe rund 10.000 Zelte und Schutzplanen, über 3.000 Schlafsäcke und Decken und über 600 Rucksäcke bzw. Taschen beschlagnahmt. Dies ist das Zwei- bis Dreifache der Menge von 2020 nud ein Vielfaches von 2019 (siehe hier und hier). Doch diese Verschärfung der Lage ist nicht alles: Auch der Solidaritäts-Hungerstreik dreier Aktivist_innen im vergangenen Herbst scheint in den Datenreihen eine Spur hinterlassen haben.

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Calais

CS-Gas nach Gegenwehr

CS-Gas-Schwaden am Gelände „Old Lidl“ in Marck bei Calais, 30. Dezember 2021. (Foto: Human Rights Observers)

[Update, 3. Januar 2022] Bei einer Räumung in der Calaiser Nachbargemeinde Marck kam es am gestrigen 30. Dezember 2021 zu einer Auseinandersetzung zwischen der Polizeieinheit CRS und Bewohner_innen eines Camps. Auslöser war die Beschlagnahme von Zelten und insbesondere der Umstand, dass die Besitzer_innen nicht mehr ihre persönlichen Sachen aus den Zelten holen konnten. Die Gegenwehr mündete einer in größeren Auseinandersetzung zwischen Exilierten und CRS, die sich auf ein benachbartes Wohngebiet ausweitete und in deren Verlauf die Polizei massiv CS-Gas einsetzte.

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Dunkerque & Grande-Synthe

Der Mann mit dem Messer

Die Zunahme der Bootspassagen, die tödliche Havarie am 24. November und der Hungerstreik vom 11. Oktober bis zum 17. November haben die Lage der Exilierten verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Mehrfach äußerte sich der französische Innenminister Gérald Darmanin in diesem Kontext zu Gewaltvorwürfen gegen staatliche Behörden, die er teils bestritt und teils relativierte. In einer parlamentarischen Anhörung äußerte er sich am 7. Dezember nun auch zum Zerschneiden von Zelten, das bei Räumungen in Grande-Synthe seit einem Jahr wiederholt dokumentiert worden ist. Ein Mitarbeiter einer Reinigungsfirma wurde dabei zum Bauernopfer.