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Calais

Rechte Übergriffe auf Freiwillige

Der Brandanschlag auf ein Aufnahmezentrum für Channel migrants im Hafen von Dover am 30. Oktober 2022 (siehe hier) wirft die Frage nach rechtsextremer Gewalt im Kontext der französisch-britischen Grenze auf. Wir haben daher in Calais nachgefragt und erfuhren von Übergriffen gegen freiwillige Helfer_innen und gegen Versorungsinfrastrukten für Exilierte. Am 23. September 2022 gipfelte dies in Steinwürfen auf einen Transporter der Hilfsorganisation Collective Aid. Hinter den Übergriffen steht vor allem ein Anwohner, der inzwischen für den Sachschaden an dem Fahrzeug haftbar gemacht wurde. Nicht aber für den Angriff gegen Personen.

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Calais Channel crossings & UK

Verharren im Calais-Format

Eine Analyse der neuen britisch-franösischen Vereinbarung zur Bekämpfung der Bootspassagen

Die britische Innenministerin Suella Braverman und ihr französischer Amtskollege Gérald Darmanin unterzeichneten am 14. November 2022 in Paris eine gemeinsame Erklärung zur Bekämpfung der „illegalen Migration“. Die mit britischen Investitionen in Höhe von 72,2 Millionen Euro hinterlegte Vereinbarung umfasst eine Reihe von Maßnahmen, die sich hauptsächlich gegen die Bootspassagen im Ärmelkanal richten. Kritisch gelesen, regelt das Papier jedoch kaum mehr als den Fortbestand und die weitere Finanzierung bestehender Kooperationsformate. Es nimmt einige taktische Anpassungen vor und verstetigt eine 2021 begonnene Kooperation im sogenannten Calais-Format, womit die Einbeziehung Belgiens, der Niederlande und Deutschlands gemeint ist. Maßnahmen zur Verbesserung der humanitären und menschenrechtlichen Lage der Exilierten fehlen gänzlich. Braverman und Darmanin verfestigen vielmehr ihre strukturellen Ursachen.

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Calais Channel crossings & UK

Ein Brief an Premierminister Sunak

Calais Appel, eine Dachorganisation von acht in Calais tätigen Basisinitiativen, richtete am 4. November 2022 einen offenen Brief an den britischen Premierminister Rishi Sunak. Darin beschreiben sie die fortdauernde humanitäre und menschenrechtliche Krise in Nordfrankreich. Sie plädieren für die Schaffung sicherer Einreisewege nach Großbritannien, statt den Grenzraum so abschreckend wir möglich zuzurichten. Wir dokumentieren das Schreiben im Folgenden:

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Calais

Räumungen trotz Winterfriede auch 2022/23

Rückblick auf die Forderung der Hungerstreikenden im Herbst 2021 und die Praxis der Räumungen ein Jahr später. (Quelle: Human Rights Observers / Twitter)

Wie in den vergangenen Jahren, wird die in Frankreich geltende Winterpause für Zwangsräumugen erneut missachtet. Diese gilt landesweit vom 1. November bis zum 31. März und soll verhindern, dass Menschen während der kalten Jahreszeit ihre Wohnung verlieren. Vor einem Jahr hatten Aktivist_innen in der Calaiser Kirche Saint-Pierre mehr als fünf Wochen lang einen Hungerstreik durchgeführt, um u. a. die Einhaltung dieser Regelung durchzusetzen (siehe hier). Ihr Ziel hatten sie trotz landesweiter Aufmerksamkeit nicht erreicht, und insofern verwundert es nicht, dass die Behörden ihre Räumungsroutine zu Beginn des Winters 2022/23 stillschweigend fortführen.

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Calais

Keine Räumung des besetzten Hauses bis 2025

Das Haus in der Rue Frédéric-Sauvage nach der Besetzung, Februar 2022 (Foto: Calais Logement pour Tous.tes)

Am 7. Februar 2022 besetzten Aktivist_innen zwei Gebäude in Calais, um Exilierten eine menschenwürdiges Wohnen zu ermöglichen und einen Raum für gemeinsames solidarisches Handeln zu eröffnen. Nach der Räumung des größeren Gebäudes – eines Hochhauses in einem Außenbezirk der Stadt – blieb das andere bestehen (siehe hier, hier und hier). Nun ist seinen Nutzer_innen ein juristischer Erfolg gelungen, der es ihnen erlaubt, das Projekt für die Dauer von drei Jahren fortzuführen. Allerdings war das Gerichtsverfahren von Festnahmen und Abschiebungen begleitet und kann noch angefochten werden.

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Calais

Gericht stoppt Hilfsverbote

Anlaufstelle für warme Mahlzeiten am Rand eines Camps zur Zeit vor den Verboten, Mai 2017. (Foto: Th. Müller)

Seit 2020 galt in Calais fast ununterbrochen ein Verbot kostenloser Wasser- und Nahrungsverteilungen an Exilierte, sofern diese Hilfe in bestimmten Teilen der Stadt und ohne staatlichen Auftrag erfolgte. Faktisch war es unabhängigen Organisationen damit untersagt, lebenswichtige Hilfe dort zu leisten, wo sie gebraucht wird: bei den Camps. Eine Klage der betroffenen Organisationen hatte nun Erfolg: Das Verwaltungsgericht in Lille hob die Verbotsverfügungen der Präfektur auf. Die Solidaritätsbewegung hat auf einem wichtigen juristischen Konfliktfeld damit einen Sieg errungen.

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Calais

Über 1.700 Räumungen in diesem Jahr?

Prognose von Human Rights Observers zur Entwicklung der Räumungen in Calais bis zum Jahresende 2022. (Quelle: Human Rights Observers)

Bereits jetzt haben in Calais und Umgebung im laufenden Jahr mehr Räumungen informeller Lebensorte stattgefunden als je zuvor (siehe hier und hier). Bis zum Jahresende könnte ihre Zahl auf über 1.700 ansteigen; sie würde dann um 42 % höher liegen als im Vorjahr. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Prognose von Human Rights Observers (HRO).

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Calais

Antimigrantische Zwecklandschaft

Steine und Werbetafel auf einem Camp-Gelände in der Innenstadt von Calais, September 2022. (Foto: Human Rights Observers)

Erneut blockierte die Stadtverwaltung von Calais einen informellen Lebensort von Gefüchteten am Quai du Danube auf brachiale Weise. Schwere Felsklötze wurden am 13. September 2022 großflächig auf dem Areal verteilt, sodass es nicht mehr möglich ist, sich dort in Zelten niederzulassen. Das Gelände befindet sich in der Innenstadt von Calais und war in den vergangenen Wochen einem schrittweise verstärkten Druck ausgesetzt.

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Calais

Polizeigewalt in Calais

In der Nacht vom 22. auf den 23. August kam es in Calais zu einem Vorfall von mutmaßlicher Polizeigewalt, in dessen Verlauf zwei 18jährige Eritreer von Beamten der Compagnie Républicaine de Securité (CRS) misshandelt und hilflos zurückgelassen wurden. Polizeigewalt gegenüber Exilierten ist in Calais nicht selten; das besondere an dem genannten Vorfall ist die spätere Meldung eines anonymen Zeugen – nach eigenen Angaben selbst Angehöriger der CRS.

Wir dokumentieren im folgenden die Erklärung der Organisation Utopia 56 vom 8. September 2022 zu dem Vorfall in eigener Übersetzung.

Nach Presseberichten hat die Staatsanwaltschaft von Boulogne-sur-Mer inzwischen Ermittlungen aufgenommen und die in Frankreich für die Aufklärung von durch Polizist_innen begangene Straftaten zuständige Inspection générale de la Police nationale (IGPN) mit der Untersuchung des Vorfalls beauftragt.

Screenshot aus der Pressemitteilung von Utopia56 (Foto: Utopia 56)
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Calais

Rückkehr der Hilfsverbote

Auf Anweisung des französischen Innenministers erließ der damalige Präfekt des Departements Pas-de-Calais, Louis de Franc, am 10. September 2020 zum ersten Mal ein Verbot bestimmter zivilgesellschaftlicher Hilfeleistungen in Calais (siehe hier). Das Verbot zwar zeitlich befristet, allerdings verlängerte die Präfektur es über zwanzig Mal und passte es, wenn nötig, einer Veränderung der Camp-Standorte an. Im April 2022 endete das Verbot stillschweigend, indem keine weitere Verlängerung erfolgte. Eine Verbesserung der Stuation bedeutete dies, soweit wir es beurteilen können, nicht wirklich. Nun aber hat ein neuer Präfekt, Jacques Billant, ein neues Verbot verfügt. Momentan untersagt es die kostenlose Verteilung von Wasser und Nahrung im Umfeld zweier innerstädtischer Camps in Calais. Wie die frühere Serie von Hilfsverboten, behindert und delegitimiert es die Arbeit unabhängiger Organisationen und schafft die Illusion einer staatlichen Fürsorge, die sich in der Realität jedoch als Element einer antimigrantischen Ordnungspolitik für den städtischen Raum erweist.