Im Zuge der rassistischen Krawalle in Großbritannien kündigten britische Rechtsextreme an, ab dem 11. August 2024 in Calais zu agieren. Dahinter dürfte der Wunsch stehen, auch in Frankreich rechtsextreme Ausschreitungen zu erzeugen und Gewalt gegen Exilierte und ihre Unterstützer_innen auzustacheln, sich aber mindestens für die eigene Follower_innen in Szene zu setzen. Im Vorfeld erschien nun der unten dokumentierte Aufruf, sich ihnen aktiv entgegenzustellen. Der Aufruf erschien auf der Website des Netzwerks Calais Migrant Solidarity, das sich als Teil der No borders-Bewegung versteht.
Schlagwort: Rechtsextremismus
Seit einer Woche halten rassistische Ausschreitungen Großbritannien in Atem. Dahinter steckt ein komplexes Gemisch aus politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Aspekten. Als auffälliges Element sticht dabei die Hetze gegen Bootsflüchtlinge hervor. Über die aktuelle Situation hinaus setzt das die neue Labour-Regierung unter erheblichen Druck.
Ein rechtsfreier Raum
Details zu Übergriffen vor der Räumung des besetzten Hauses in Calais
Am 2. Juli wurde ein seit 2022 besetztes und durch einen Gerichtsbeschluss bis 2025 legalisiertes Haus in der Calaiser Innenstadt geräumt (siehe hier). Nun machten Aktivist_innen einige Vorkommnisse öffentlich, die schließlich zur Räumung führten, zugleich aber ein weiteres Schlaglicht auf die Situation nach der fatalen Europawahl vom 9. Juni 2024 werfen. Demnach schufen Nachbar_innen, Rechtsextreme, Medien und Behörden rund um das Haus eine Art rechtsfreien Raum. Die Ereignisse wirken wie ein Vorgeschmack auf Zustände, die bei einer Regierungsübernahme durch den Rassembelement National vermutlich gängig geworden wären – in Calais aber nicht wirklich verwundern. Daher lohnt ein Rückblick.
Autoattacke gegen Exilierte in Calais

Am Abend des 2. Juli 2024 wurde eine Gruppe von Exilierten in Calais von einem Auto attackiert; einer von ihnen wurde verletzt, befindet sich aber nicht in Lebensgefahr. Es handelt sich offenbar um eine vorsätzliche Tat. Sie reiht sich in eine Serie von Gewaltakten und Drohungen gegen Geflüchtete und Unterstützer_innen ein, die nach Ansicht lokaler Beobachter_innen durch die mögliche Bildung einer rechtsextremen Regierung in Frankreich motiviert sind (siehe hier, hier und hier).
An interview with Utopia 56 about the possible takeover by the extreme right and its consequences for associations and exiles

On the day after the first round of the parliamentary elections, we ask Utopia 56 about the shift to the right in France and the consequences of a possible takeover by the far-right Rassemblement National. Célestin Pichaud from Utopia 56 in Grande-Synthe explains what impact the scenario is already having and what an RN government could mean for exiled people and their supporters.
Deutsche Version weiter unten.
Calais nach der Zäsur der Europawahl am 9. Juni 2024
Die Auflösung der französischen Nationalversammlung nach der Europawahl am 9. Juni 2024 hat der extremen Rechten die Möglichkeit eröffnet, erstmals in der Geschichte der Fünften Republik die Regierungsmacht an sich zu ziehen. Der 9. Juni war zugleich Auslöser rassistischer und rechtsextremer Gewalttaten, auch an der nordfranzösischen Küste. Sie richteten sich sowohl gegen Exilierte als auch gegen zivilgesellschaftliche Organisationen. Das französische Onlinemedium InfoMigrants gab am 21. Juni einen Einblick in die Vorfeldsituation der möglichen politischen Katastrophe.
Small boats im Wahlkampf
Positionen britischer Parteien zur Kanalroute
Die bevorstehende Neuwahl der französischen Nationalversammlung führt die Möglichkeit vor Augen, dass Frankreich als liberale Demokratie scheitert. Die kurzfristig anberaumte Wahl am 30 Juni und 7. Juli fällt zeitlich mit der ebenfalls vorgezogenen Wahl des britischen Unterhauses am 4. Juli zusammen. Besteht in Frankreich die Gefahr einer von den Konservativen gestützten rechtsextremistischen Regierung, dürften die britischen Konservativen ihre parlamentarische Mehrheit verlieren. Sollte es zum erwarteten Machtwechsel in London kommen, so könnten sich Spielräume für eine Deradikalisierung der Grenzpolitik und für humanitäre Teillösungen eröffnen. Der historisch gewachsene Kern des Grenzregimes könnte zugleich jedoch auf eine problematische Weise gestärkt werden. Wir untersuchen in diesem Beitrag, welche Aussagen britische Parteien zur kananülergreifenden Migration und zur Grenzpolitik treffen.
Das „Ruanda-Modell“ in den Europawahl-Programmen von CDU/CSU und EVP. Eine Aktualisierung
Vor einigen Wochen haben wir an dieser Stelle einen Überblick zur Adaption des britischen Ruanda-Deals durch deutsche Parteien gegeben: Ausgehend von der rechtsextremen AfD, haben CDU, FDP und BSW die Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten in ihre Europawahlprogramme aufgenommen, lediglich SPD und Linkspartei sprechen sich dagegen aus (siehe hier). Nun hat sich auch die Europäische Volkspartei (EVP), aus deren Reihen die amtierende EU-Kommissionspräsidentin kommt, das Konzept zueigen gemacht. Der rechte Flügel der britischen Tories, der den Ruanda-Deal 2022 auf den Weg gebracht hat, ohne ihn jemals umsetzen zu können, erweist sich währenddessen immer deutlicher als Teil der rechtsextremen Mobilmachung gegen die liberale Demokratie und Gewaltenteilung.
Eine toxische Verheißung
Das „Ruanda-Modell“ in den Europawahl-Programmen deutscher Parteien. Ein Überblick
Seit dem 13. April 2022 verfügt Großbritannien über eine Vereinbarung mit Ruanda. Sie soll Channel migrants den Zugang zu einem britischen Anerkennungsverfahren verwehren und sie gegen ihren Willen in das afrikanische Land transportieren, wo sie dann ein Verfahren nach dortigem Recht durchlaufen können. Bekanntlich sind bislang alle Versuche gescheitert, das Programm umzusetzen (siehe hier, hier, hier und hier). Ausgehend von der rechtsextremen AfD, haben mehrere deutsche Parteien es dennoch in die Programme aufgenommen, mit denen sie zur Europawahl am 6. Juni 2024 antreten. Hier ein Überblick über die Normalisierung eines toxischen Konzepts.
Rechte Übergriffe auf Freiwillige
Der Brandanschlag auf ein Aufnahmezentrum für Channel migrants im Hafen von Dover am 30. Oktober 2022 (siehe hier) wirft die Frage nach rechtsextremer Gewalt im Kontext der französisch-britischen Grenze auf. Wir haben daher in Calais nachgefragt und erfuhren von Übergriffen gegen freiwillige Helfer_innen und gegen Versorungsinfrastrukten für Exilierte. Am 23. September 2022 gipfelte dies in Steinwürfen auf einen Transporter der Hilfsorganisation Collective Aid. Hinter den Übergriffen steht vor allem ein Anwohner, der inzwischen für den Sachschaden an dem Fahrzeug haftbar gemacht wurde. Nicht aber für den Angriff gegen Personen.