Im Seegebiet zwischen Calais und Boulogne-sur-Mer ereignete sich am heutigen 3. September 2024 eine der schwersten Havarien auf dieser Migrationsroute überhaupt. Französische Medien und Behörden berichten von mindestens zwölf Todesopfern, zwei Vermissten und zahlreichen Verletzten. Hier ein erster und vorläufiger Überblick.
Schlagwort: Todesfälle
„Diese Grenze tötet in größter Stille“ – Mit diesen Worten kommentierte die Calaiser NGO L’Auberge des migrants den jüngsten Todesfall auf See: Am 11. August 2024 starben erneut zwei Menschen während einer Bootspassage nach Großbritannien. Es ist der 32. Todesfall im Kontext der klandestinen Migration aus der EU nach Großbritannien in diesem Jahr. Zugleich mehren sich Anzeichen dafür, das Großbritannien auf See gerettete Personen zurückweist und an Frankreich übergibt.
[Updated] Im Augenblick folgen Todesfälle von Exilierten im nordfranzösischen Grenzraum binnen weniger Tage. Diese Situation ist, verglichen mit den zurückliegenden Jahren, beispiellos. Im Juli meldeten wir allein vier tödliche Situationen auf See, bei denen sieben Menschen starben; hinzu kam der Tod eines Säuglings erst vor wenigen Tagen. Am heutigen 2. August 2024 ertrank ein Geflüchteter aus dem Sudan an einem Kai mitten in Calais. Die Umstände deuten auf Suizid hin.
Tod eines Babys in Calais
In den Räumlichkeiten von Secours Catholique in Calais starb am 29. Juli 2024 ein kleiner Junge namens Mohammed. Medienberichten zufolge war er mit seinen Eltern im Tageszentrum, das die französische Schwesterorganisation der Caritas in der Innenstadt für Geflüchtete unterhält. Eine Autopsie soll nun klären, ob das Baby, wie vermutet wird, an einer Krankeit starb.
Zum wiederholten Mal ist am 28. Juli 2024 ein Mensch bei der Überfahrt eines Schlauchboots nach Großbritannien gestorben. Der leblose Körper wurde während eines Rettungseinsatzes an Bord eines Schlauchbootes entdeckt, auf dem sich mehr als siebzig Personen befanden. Es ist der 27. Todesfall seit Jahresbeginn und der siebte im Monat Juli.
Bei der Havarie eines Schlauchbootes starb am 19. Juli 2024 ein weiterer Exilierter. Nach den Havarien am 12. Juli mit vier Todesopfern (siehe hier) und am 17. Juli mit einem Todesopfer (siehe hier) ist es der sechste Grenztote innerhalb einer Woche. Eine solche Häufung tödlicher Ereignisse ist außergewöhnlich und verheißt Schlimmes für die zweite Hälfte des Jahres.
Weniger als eine Woche nach dem Tod von vier Schiffbrüchigen (siehe hier) ist erneut ein Exilierter im Ärmelkanal ertrunken. Es ist, soweit wir wissen, der 25. Todesfall seit Jahresbeginn. Während des Rettungseinsatzes wurden von einem britischen Schiff gerettete Menschen nach Frankreich zurückgebracht, was möglicherweise einen Pushback darstellt. Dieser Vorfall rief Spekulationen über eine angebliche politische Wende der neuen britischen Regierung hin zu Pushbacks auf See hervor.
[Update, 14. Juli 2024] Erneut ist im Ärmelkanal ein Schlauchboot havariert. Dabei starben nach Angaben der französischen Behörden vier Menschen. Das Unglück ereignete sich in den frühen Morgenstunden des 12. Juli 2024 im Küstengebiet nördlich von Boulogne-sur-Mer, etwa vier Stunden nachdem die etwa 60 Passagier_innen in See gestochen waren.
Ende Mai veröffentlichten französische NGOs in der Libération die gemeinsame Erklärung A la frontière franco-britannique, la mort n’est pas une fatalité (An der britisch-französischen Grenze ist der Tod kein unabwendbares Schicksal). Damit wollen sie den Blick auf die Zunahme von Todesfällen in vergangenen Halbjahr lenken, den sie als Folge migrationspolitischer Fehlentscheidungen deuten. Zugleich unterstützten sie einen Vorstoß französischer Abgeordneter nach einer parlamentarischen Untersuchung zum Vorgehen der Ordnungskräfte und zur Lage der Menschenrechte im französisch-britischen Grenzraum. Lokale Initiativen legen währenddessen weitere Belege für ein gewaltsames Vorgehen gegen ablegende Schlauchboote vor.
Bereits am 8. April 2024 starb ein Exilierter auf einer Autobahn in der Nähe der wallonischen Hauptstadt Namur. Offenbar hatte er sich in Calais in einem Lastwagen versteckt, der jedoch nicht, wie erhofft, nach Großbritannien fuhr. Seit Jahren geraten Exilierte immer wieder in solche Situationen, die nicht selten lebensgefährlich sind (siehe zuletzt hier).