Zum wiederholten Mal ist am 28. Juli 2024 ein Mensch bei der Überfahrt eines Schlauchboots nach Großbritannien gestorben. Der leblose Körper wurde während eines Rettungseinsatzes an Bord eines Schlauchbootes entdeckt, auf dem sich mehr als siebzig Personen befanden. Es ist der 27. Todesfall seit Jahresbeginn und der siebte im Monat Juli.
Monat: Juli 2024
Westlich von Dunkerque entsteht seit Herbst 2023 eine ausgedehnte Anlage aus Metallzäunen und anderen Barrieren (siehe hier). Es ist eine der größten antimigrantischen Architekturen an der nordfranzösischen Küste überhaupt. Die Anlage überzieht den Jungle von Loon-Plage und mit ihm den Ausgangspunkt für zahlreiche Bootspassagen nach Großbritannien. Die Investition von über 5 Millionen Euro bewirkte bislang jedoch lediglich eine Verlagerung des Camps um einige hundert Meter. Die katastrophale Versorgungs- und Sicherheitslage für die Bewohner_innen des Jungle dürfte sich eher weiter verschlechtern.
Ein rechtsfreier Raum
Details zu Übergriffen vor der Räumung des besetzten Hauses in Calais
Am 2. Juli wurde ein seit 2022 besetztes und durch einen Gerichtsbeschluss bis 2025 legalisiertes Haus in der Calaiser Innenstadt geräumt (siehe hier). Nun machten Aktivist_innen einige Vorkommnisse öffentlich, die schließlich zur Räumung führten, zugleich aber ein weiteres Schlaglicht auf die Situation nach der fatalen Europawahl vom 9. Juni 2024 werfen. Demnach schufen Nachbar_innen, Rechtsextreme, Medien und Behörden rund um das Haus eine Art rechtsfreien Raum. Die Ereignisse wirken wie ein Vorgeschmack auf Zustände, die bei einer Regierungsübernahme durch den Rassembelement National vermutlich gängig geworden wären – in Calais aber nicht wirklich verwundern. Daher lohnt ein Rückblick.
Bei der Havarie eines Schlauchbootes starb am 19. Juli 2024 ein weiterer Exilierter. Nach den Havarien am 12. Juli mit vier Todesopfern (siehe hier) und am 17. Juli mit einem Todesopfer (siehe hier) ist es der sechste Grenztote innerhalb einer Woche. Eine solche Häufung tödlicher Ereignisse ist außergewöhnlich und verheißt Schlimmes für die zweite Hälfte des Jahres.
Weniger als eine Woche nach dem Tod von vier Schiffbrüchigen (siehe hier) ist erneut ein Exilierter im Ärmelkanal ertrunken. Es ist, soweit wir wissen, der 25. Todesfall seit Jahresbeginn. Während des Rettungseinsatzes wurden von einem britischen Schiff gerettete Menschen nach Frankreich zurückgebracht, was möglicherweise einen Pushback darstellt. Dieser Vorfall rief Spekulationen über eine angebliche politische Wende der neuen britischen Regierung hin zu Pushbacks auf See hervor.
[Update, 14. Juli 2024] Erneut ist im Ärmelkanal ein Schlauchboot havariert. Dabei starben nach Angaben der französischen Behörden vier Menschen. Das Unglück ereignete sich in den frühen Morgenstunden des 12. Juli 2024 im Küstengebiet nördlich von Boulogne-sur-Mer, etwa vier Stunden nachdem die etwa 60 Passagier_innen in See gestochen waren.
Besetztes Haus in Calais geräumt
Seit Februar 2022 beherbergte ein besetzter Altbau in der Innenstadt von Calais obdachlose Migrant_innen, verbunden mit dem Anspruch, einen sozialen Raum jenseits von Nationalität und Status zu eröffnen. Das Projekt war im Oktober 2022 soweit legalisiert worden, dass es voraussichtlich bis 2025 hätte bestehen können (siehe hier, hier und hier). Am 2. Juli 2024 wurde es nun vorzeitig und nach Ansicht von Aktivist_innen rechtswidrig geräumt.
Autoattacke gegen Exilierte in Calais
Am Abend des 2. Juli 2024 wurde eine Gruppe von Exilierten in Calais von einem Auto attackiert; einer von ihnen wurde verletzt, befindet sich aber nicht in Lebensgefahr. Es handelt sich offenbar um eine vorsätzliche Tat. Sie reiht sich in eine Serie von Gewaltakten und Drohungen gegen Geflüchtete und Unterstützer_innen ein, die nach Ansicht lokaler Beobachter_innen durch die mögliche Bildung einer rechtsextremen Regierung in Frankreich motiviert sind (siehe hier, hier und hier).
Juli 2024
Wir verlinken hier eine Auswahl aktueller Meldungen aus den Medien und Beiträge von Exilierten und Aktivist_innen und mit Bezug zur Situation im kontinentaleuropäisch-britischen Migrationsraum.
An interview with Utopia 56 about the possible takeover by the extreme right and its consequences for associations and exiles
On the day after the first round of the parliamentary elections, we ask Utopia 56 about the shift to the right in France and the consequences of a possible takeover by the far-right Rassemblement National. Célestin Pichaud from Utopia 56 in Grande-Synthe explains what impact the scenario is already having and what an RN government could mean for exiled people and their supporters.
Deutsche Version weiter unten.