Am heutigen 23. November beginnt im belgischen Mons der Strafprozess, der die Schuld am Tod des kurdischen Mädchens Mawda klären soll. Das in Deutschland geborene Kind hatte mit seiner Familie in den Camps von Grande-Synthe gelebt und war während einer Schleusung, die über Belgien abgewickelt wurde, in der Nacht zum 17. Mai 2018 von einem belgischen Polizisten erschossen worden. Die Schüsse fielen, als das für die Schleusung benutzte Fahrzeug bereits nicht mehr entkommen konnte und anhielt. Der Fall wurde in Belgien als öffentlicher Skandal begriffen; das oben abgebildete Foto Mawdas wurde dabei zum Symbol für Polizeigewalt gegen Geflüchtete. Angeklagt sind nun der Todesschütze und als mutmaßlicher Schleuser der Fahrer des Fahrzeugs.
Kategorie: Benelux & Deutschland
Räumungen in Calais, Razzien im Hinterland – was in diesen Tagen noch geschah, und welche Auswirkungen dies auf die Lage am Kanal haben könnte.
Im belgischen Mons begann am 6. August der Strafprozess u.a. gegen den Polizisten, der in der Nacht zum 17. Mai 2018 während der Verfolgung eines mutmaßlichen Schleuserfahrzeugs auf die Fahrerkabine geschossen und dadurch das kurdische Mädchen Mawda getötet hatte (siehe hier). Der Fall hatte in Belgien für erhebliches Aufsehen gesorgt. Eine Prozessbeobachterin berichtet.
Juristische Vorentscheidung im „Fall Mawda“
In der Nacht vom 16. auf den 17. Mai 2018 endete eine Schleusung von Nordfrankreich über Belgien nach Großbritannien in einer Katastrophe. Auf einer Autobahn nahe der belgischen Stadt Mons schoss ein Polizist während einer Verfolgungsfahrt auf den Kleintransporter, in dem sich die Geflüchteten befanden. Dabei tötete er ein Kind: Die zweijährige Madwa, die mit ihrer kurdischen Familie in den Camps von Grande-Synthe und zuvor in Deuschland gelebt hatte. Der „Fall Mawda“ erregte in Belgien erhebliche Aufmerksamkeit. Nun fiel eine juristische Vorentscheidung bezüglich der Anklage gegen den Täter.
Während sich die Kanal-Überquerung von Nordfrankreich aus immer mehr auf Boote verlagert hat, bleiben in Belgien LKW in der Regel das Transportmittel. An der Küste gab es in den letzten Wochen allerdings einige Vorfälle mit Booten, und zu Beginn des Sommers rüstet die Polizei in der Provinz Westflandern auf. Zugleich wird das Hinterland logistisch immer wichtiger. Ein Überblick.
“Keine Parkplatz-Leute”
Der Tod von 39 Vietnamesen in einem Kühlcontainer letzten Herbst brachte einen meist verborgenen Teil der Transitmigration über den Ärmelkanal in den Fokus. Er hat eigene Infrastruktur, Netzwerke und Routen, und die Wege derer, die darauf unterwegs sind, überschneiden sich kaum mit den gängigen. Die jüngsten Festnahmen in Belgien, Frankreich und Deutschland werfen einen Blick darauf.
Die Entwicklung in der Wallonie
Der Fokus der wissenschaftlichen, aktivistischen und medialen Beschäftigung auf Calais als Kulminationspunkt und Symbolort der klandestinen kontinentaleuropäisch-britischen Migration lässt die Entwicklungen an den Rändern dieses Transitraumes oft unsichtbar werden. Dabei haben sich die Versuche, nach Großbritannien zu gelangen, längst auch nach Belgien ausgeweitet, und zwar nicht nur in der flämischen Küstenregion und in der Hauptstdt Brüssel, sondern auch an wenig bekannten Orten in der Wallonie, also der frankophonen Teilregion des belgischen Nationalstaates. Wir haben an dieser Stelle bereits über die Kleinstadt Waremme berichtet (siehe hier) und möchten den Blick nun auch auf andere Orte in den belgischen Provinzen Lüttich, Luxemburg und Hainaut (Hennegau) richten.
Die Situation in Brüssel
Wie bereits früher berichtet, dient neben anderen belgischen Orten auch Brüssel als Ausgangspunkt für den Weg über den Ärmelkanal. Zu Beginn des confinement (belgische Ausgangsbeschränkungen) waren sie im März 2020 aus dem Parc Maximilien, ihrem bereits vor Jahren etablierten Treffpunkt und zeitweise auch Übernachtungsplatz verdrängt und sehr schnell in Unterkünften untergebracht worden. Diese befinden sich in der gleichen Stadt und werden von solidarischen zivilgesellschaftlichen Organisationen betrieben.
Auch in Brüssel leben momentan ungefähr 500 Migrant_innen mit dem Migrationsziel Großbritannien. Die Corona-Pandemie veränderte auch ihre Lage. Zwar verschlossen die Behörden ihren wichtigsten Treffpunkt, den Maximilianpark. Dennoch wurde – anders als in Calais und Grande Synthe – rasch eine Unterbringungslösung für so gut wie alle realisiert.
Waremme ist eine Kleinstadt in der Wallonie. Folgt man der Europastrasse 40 von Lüttich (Liège) nach Brüssel, passiert man den gleichnamigen Autobahnrastplatz. Seit mehreren Jahren nutzen Geflüchtete ihn, um sich dort in einem Lastwagen nach Großbritannien zu verstecken. Die E 40 führt in ihrem weiteren Verlauf über Brüssel und Oostende zu den Fährhäfen von Dunkerque und Calais. Anders als viele der Raststätten auf dieser Strecke ist diejenige in Waremme noch nicht durch Zäune und Klingendraht gesichert.