Mehr MigrantInnen als je zuvor haben in der ersten Hälfte des Jahres den Ärmelkanal per Boot überquert – ungeachtet britisch-französischer Abkommen dies zu verhindern. Während populistische Scharfmacher und besorgte Patrioten für mehr Abschottung trommeln, hat das britische Home Office begonnen einen Plan umzusetzen um Bootsflüchtlinge zurück nach Frankreich zu schicken. Viel von ihm ist nicht bekannt. Die Spurensuche beginnt mit einem rätselhaften Namen. Zweiter Teil.
Schlagwort: Bootspassagen
Während sich die Kanal-Überquerung von Nordfrankreich aus immer mehr auf Boote verlagert hat, bleiben in Belgien LKW in der Regel das Transportmittel. An der Küste gab es in den letzten Wochen allerdings einige Vorfälle mit Booten, und zu Beginn des Sommers rüstet die Polizei in der Provinz Westflandern auf. Zugleich wird das Hinterland logistisch immer wichtiger. Ein Überblick.
Erwartungsgemäß ist die Zahl der Channel crossings, also der klandestinen Überquerungen des Ärmelkanals in Booten, weiter gestiegen. Hatten 2019 im Verauf des gesamten Jahres 1.892 Migrant_innen die Meerenge auf diese Weise passiert, so wird diese Zahl nun bereits in der ersten Jahreshälfte überschritten. Die Etablierung dieser innereuropäischen maritimen Migrationsroute, die seit knapp zwei Jahren intensiver genutzt wird, setzt sich also fort. Sollte der Trend andauern, so dürften bis zum Jahresende rund 4.000 Menschen auf Booten nach Großbritannien eingereist sein, und zwar mit einer hohen Erfolgsaussicht sowohl hinsichtlich des Gelingens der Passage als auch einer Verstetigung des Aufenthalts im Vereinigten Königreich.
Deutsche Fassung
Maya Konforti von L‘Auberge des Migrants ist in Calais und Grande-Synthe seit 2014 aktiv. In diesem Interview reflektiert sie die jüngste Entwicklung und analysiert den aktuellen Stand der Evakuierungen, des Confinement (französische Corona-Schutzmaßnahmen), der Polizeigewalt und der Bootspassagen. Wir veröffentlichen den inhaltlich sehr dichten Text auf diesem Blog als Longread-Format.
English version
Maya Konforti of L´Auberge des Migrants has been on the ground in Calais and Grande- Synthe since 2014. In this interview she reflects the recent development and analyzes the current state of evictions, confinement, police violence and boat crossings. This is the closest so far we have come to a longread on this blog. German version will follow.
Im März und April 2020 gelangten so viele Geflüchtete auf Booten nach Großbritannien wie noch nie seit der Etablierung dieser maritimen Migrationsroute vor anderthalb Jahren. Die Entwicklung hatte sich bereits in den Wintermonaten abgezeichnet und dürfte sich, begünstigt durch das günstigere Wetter im Frühling und Sommer, wahrscheinlich im weiteren Jahresverlauf fortsetzen.
Zunahme der Bootspassagen
Seit Beginn des Jahres 2020 ist es ungefähr 500 Migrant_innen gelungen, auf Booten von der französischen und belgischen Küste nach Großbritannien zu gelangen. Obwohl im Februar mehrere schwere Stürme die Kanalregion heimsuchten und im März massive Einschränkungen der Bewegungsfreiheit aufgrund der Corona-Pandemie in Kraft traten, ist dies die höchste Anzahl für die Wintermonate seit der Verfestigung dieser maritimen Migrationsroute vor anderthalb Jahren.
Das am häufigsten genutzte Mittel, um den Ärmelkanal klandestin zu überqueren, war zumeist das Versteck in einem Lastwagen, seltener in einem Fernbus oder einem Zug. Hinzu kamen zu hohen Preisen angebotene Schleusungen mithilfe professioneller Schmuggeltechniken. Nachdem die Infrastrukturen des Frachtverkehrs um Calais inzwischen großräumig abgeschirmt und überwacht werden und weitere Häfen aufgerüstet wurden, hat sich die Suche nach einem geeigneten Lastwagen weit in das französische und belgische Hinterland ausgeweitet, reicht inzwischen bis in den Lütticher und Luxemburger Raum und berührte punktuell die deutsch-belgische Grenze bei Aachen. Dies änderte sich im Herbst 2018, als die Zahl der Bootspassagen sprunghaft zunahm.