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10.000 Passagen einer militarisierten Grenze

Im Ärmelkanal, Mai 2022. (Foto: Channel Rescue).

Wie britische Medien Anfang Juni meldeten, haben seit Jahresbeginn 9.988 Personen die britische Seegrenze in kleinen Booten passiert. Inzwischen dürfte ihre Zahl auf über 10.000 angestiegen sein. Zum Vergleich: Im Vorjahr war Mitte Juni die Zahl von 5.000 (siehe hier) und Anfang August die Zahl von 10.000 Bootspassagier_innen (siehe hier) erreicht worden, und 2019 hatte die Zahl bei Jahresesende noch unter 2.000 gelegen. Das Überschreiten der symbolpolitisch gut verwertbaren 10.000er-Marke dürfte den populistischen Diskurs in Großbritannien weiter anheizen, obwohl sie eher das Scheitern einer auf Migrationsverhinderung fokussierten Politik offenbart. Trotz der massiven Einschnitte der britischen Regierung in das Asylsystem, trotz der Drohung mit Deportationen nach Ruanda und trotz der Kompetenzübertragung auf das Militär – alle diese Maßnahmen datieren in die erste Jahreshälfte – wurde die Kanalroute von doppelt so vielen Menschen frequentiert wie ein Jahr zuvor.

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Aus für Pushbacks im Ärmelkanal

Tweet der Gewerkschaft PCS zum Erfolg der Klage gegen Pushbacks, 25. April 2022 (Quelle: PCR Union / Twitter).

Wie die Public and Commercial Services (PCS) Union, Care4Calais, Channel Rescue und Freedom from Torture am heutigen 25. April 2022 mitteilen, hat die britische Regierung ihr Vorhaben aufgegeben, die Boote von Geflüchteten im Ärmelkanal gewaltsam zurückzudrängen. Die vier Organisationen haben damit einen bedeutenden menschenrechtspolitischen Erfolg erzielt: Denn im Zuge ihrer gemeinsamen Klagen gegen die seit Spätsommer 2021 vorbereiteten Pushbacks war ans Licht gekommen, dass die Regierung frühzeitig darüber informiert war, dass sie diese Maßnahme aus rechtlichen Gründen nie gegen Asylbewerber_innen würde anwenden können. Dennoch hielt sie an ihrem Vorhaben fest und täuschte darüber hinaus gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit vor, im legalen Rahmen – wenn auch unter eng umrissenen Bedingungen – solche Pushbacks durchführen zu können. Eine Woche vor der Anhörung des Falls vor dem High Court teilte die Regierung nun mit, dass sie ihre bisherige Pushback-Politik aufgegeben hat.

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Ein leiser Hauch von Pazifik

Wie ein ehemaliger australischer Außenminister die britische Grenzpolitik radikalisieren könnte

Zum ersten Mal ihrer Geschichte wird UK-Border Force einer Überprüfung ihrer Strukturen, Befugnisse, Finanzierung und Pritoritäten unterzogen. Was auf den ersten Blick wie ein bürokratisches Verfahren erscheinen mag, ist ein zutiefst politischer Akt, und zwar nicht nur, weil es um die Bekämpfung der Bootsmigration auf der Kanalroute geht. Denn Innenministerin Priti Patel beauftragte eine Person mit der Überprüfung, die für eine besonders repressive Spielart der Migrationspolitik steht: Alexander Downer.

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Ein Rettungsschiff für den Ärmelkanal

Interview mit Channel Rescue

Der Ärmelkanal bei Calais. (Foto: Th. Müller)

English version below

Channel Rescue entstand 2020 angesichts der wachsenden Zahl von Menschen, die den Ärmelkanal per Boot überquerten. Voraussichtlich wird die britische Organisation ab diesem Jahr mit einem Rettungsschiff auf dem Ärmelkanal präsent sein. Es wäre das erste Schiff einer zivilgesellschaftliche Initiative für Geflüchtete an dieser neuen EU-Außengrenze überhaupt – ein Projekt, das aus unserer Sicht jede nur mögliche Unterstützung verdient. Wir haben mit Steven von Channel Rescue darüber gesprochen, wie sich die Situation an der Kanalroute momentan verändert. Das Interview wurde schriftlich geführt.

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Klagen gegen mögliche Pushbacks

Training für Pushbacks im Ärmelkanal. (Foto: Channel Rescue)

Die britische Initiative Channel Rescue dokumentierte im September 2021 Trainings der Border Force für Pushbacks im Ärmelkanal (siehe hier). Tatsächlich durchgeführt wurden diese bislang, soweit bekannt, nicht. Am 24. November 2021 – dem Tag, an dem 27 Exilierte vor Calais ertranken – reichte Channel Rescue eine Klage gegen die britische Innenministerin Priti Patel mit dem Ziel ein, die Durchführung von Pushbacks zu verhindern. Finanziert wird die Klage durch Crowdfunding: Binnen weniger Tage sind bereits £ 25.000 der angestrebten £ 30.000 zusammengekommen. Neben Channel Rescue klagten noch zwei weitere Organisationen, nämlich Care4Calais und Freedom from Torture, gegen die Innenministerin, wobei die drei Klagen unterschiedliche rechtliche Ansatzpunkte wählen. Wir dokumentieren im Folgenden die Erklärung von Channel Rescue auf der Plattform cowdjustice. Interessierte, die zur Finanzierung beteiligen möchten, finden dort die nötigen Informationen.

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Härteres Grenzregime, zahlreiche Crossings

Training für Pushbacks im Ärmelkanal, September 2021 (Foto: Channel Rescue)

[Updated, 12. November 2021] „Es sieht so aus, als würden sie das Boot vom Heck und vom Bug aus anschieben, und ich vermute, dass die Idee dahinter ist, sie zurück in französische Gewässer zu schieben.“ Mit diesen Worten zitierte der Guardian am 10. Oktober eine Beobachtung, die Mitglieder von Channel Rescue in den vorausgegangenen beiden Wochen von der Steilküste in Dover aus gemacht hatte. Die Bericht ließ vermuten, dass die britische Border Force begonnen habe, die im September angekündigten Pushbacks – offiziell als turnaround-Taktik bezeichnet – tatsächlich durchzuführen (siehe hier und hier). Auch wir übernahmen diese Sicht in der ursprünglichen Version dieses Textes, doch teilte Channe Rescue auf Nachfrage mit, dass es keine wirklichen Belege für Pushbacks seit den Trainings im September gibt. Im gleichen Zeitraum aber griffen die französischen Behörden an der Nordküste ihres Landes zu neuen Maßnahmen wie Kontrollen an der belgischen Grenze und einer schwimmenden Barriere in einer Wasserstrasse. Und erstmals wurde ein Fall bekannt, bei dem ein ablegendes Boot beschossen worden sein soll. Gleichwohl wird die Kanalroute trotz des beginnenden Herbstes weiterhin stark frequentiert: Seit Jahresbeginn haben inzwischen mehr als 18.000 Migrant_innen den Kanal in Booten durchquert.

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Channel Rescue dokumentiert Pushback-Training

Training der Border Force im Ärmelkanal, vom englischen Festland aus beobachtet. (Credit: Channel Rescue)

Als vor einigen Tagen publik wurde, dass die britische Border Force für illegale Pushbacks im Ärmelkanal trainiert (siehe hier), gaben die Behörden keine weiteren Informationen über den Charakter dieser so genannten turn around-Taktik heraus. Die zivilgesellschaftliche Initiative Channel Rescue hat am heutigen 13. September erste Foto- und Videoaufnahmen veröffentlicht, die ein solches Training zeigen. Wie die Gruppe mitteilt, übte die Grenzschutzeinheit dabei das Rammen von Schlauchbooten mithilfe von Jet-Skis.

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Fast 2000 erfolgreiche Bootspassagen in diesem Jahr

Neun Boote mit 209 Geflüchteten an Bord erreichten in der Nacht vom 28. auf den 29. April 2021 von Frankreich aus Großbritannien. Es war die größte Anzahl erfolgreicher Channel crossings seit Jahresbeginn. Insgesamt haben in diesem Jahr nach Angaben der BBC bereits „mehr als 1.850“ Migrant_innen den Ärmelkanal in kleinen Booten passiert. Das rechte Portal Migration Watch spricht sogar von 2.004 Personen und schlägt die üblichen alarmistischen Töne an. Wieviele Migrant_innen genau es auch geschafft haben mögen – die schon im Februar und März sichtbare stärkere Frequentierung der Kanalroute (siehe hier und hier) hält an. Zum gleichen Zeitpunkt des vergangenen Jahres war weniger als tausend und im gesamten Jahr 2019 knapp zweitausend Personen die Bootspassage gelungen.

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Mehr Bootspassagen im Januar

Interaktion eines Schiffs der Border Force und eines Boots von Migrant_innen am Morgen des 10. Januar 2021 (Foto: Channel Rescue / Twitter)

Trotz der eisigen Temperaturen, aber begünstigt durch eine ruhige Wetterlage, hat die Zahl der Bootspassagen in den vergangenen Tagen wieder zugenommen. Am 9. Januar erreichten 103 Menschen Großbritannien per Boot; dies waren mehr als im gesamten Januar 2020, als es knapp 100 gewesen waren. Weitere 20 Personen schafften die Kanalquerung am 10. Januar.

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“Wir sind die Augen des Kanals”

Ankunftsland UK (Teil II): Interview mit der Initiative Channel Rescue

Seit Ende September ist auf der britischen Seite des Kanals die Initiative Channel Rescue aktiv. Ein Netzwerk aus Freiwlligen, um die Küste konstant zu beobachten, hinsichlich Überfahrten, Menschenrechten und möglicher Pushbacks. Im Interview geht es daneben auch um die Rolle der crossings im politischen Diskurs in Großbritannien, den nahenden Brexit und die nationalistischen Aktivisten, die sich ebenfalls auf den Klippen von Dover tummeln (und auf die ein weiterer Beitrag auf diesem Blog demnächst näher eingehen wird).