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Erneut eine tödliche Havarie

„Diese Grenze tötet in größter Stille“ – Mit diesen Worten kommentierte die Calaiser NGO L’Auberge des migrants den jüngsten Todesfall auf See: Am 11. August 2024 starben erneut zwei Menschen während einer Bootspassage nach Großbritannien. Es ist der 32. Todesfall im Kontext der klandestinen Migration aus der EU nach Großbritannien in diesem Jahr. Zugleich mehren sich Anzeichen dafür, das Großbritannien auf See gerettete Personen zurückweist und an Frankreich übergibt.

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Tödliche Havarie vor Gravelines

Weniger als eine Woche nach dem Tod von vier Schiffbrüchigen (siehe hier) ist erneut ein Exilierter im Ärmelkanal ertrunken. Es ist, soweit wir wissen, der 25. Todesfall seit Jahresbeginn. Während des Rettungseinsatzes wurden von einem britischen Schiff gerettete Menschen nach Frankreich zurückgebracht, was möglicherweise einen Pushback darstellt. Dieser Vorfall rief Spekulationen über eine angebliche politische Wende der neuen britischen Regierung hin zu Pushbacks auf See hervor.

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Nichtrettung an der Seegrenze

Dank der französische Zollgewerkschaft Solidaires Douanes Gardes-Côtes wurde ein Vorfall öffentlich, der sich am 2. Januar 2023 an der Seegrenze inmitten des Ärmelkanals ereignet hat: Ein Schlauchboot mit 38 Geflüchteten erreichte britisches Hoheitsgebiet und geriet in Seenot. Die britische Küstenwache sicherte einen Rettungseinsatz zu, der jedoch nicht erfolgte. Vielmehr trieb das Boot in französische Gewässer zurück und wurde dort von der Besatzung eines Zollschiffs gerettet. Die Gewerkschaft der Zöllner_innen wirft der britischen Seite vor, die Geflüchteten in der Erwartung, dass sie über die Seegrenze zurücktreiben würden, sich selbst überlassen und damit ihr Leben aufs Spiel gesetzt zu haben.

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Pullback im Ärmelkanal

Pullback bei Calais, 6. Mai 2022. (Foto: Privat / Utopia 56)

Wie die Organisation Utopia56 am 31. Mai 2022 mitteilte, hat am 6. Mai 2022 zum ersten Mal nachweislich ein „Pullback“ im Ärmelkanal stattgefunden. Pullbacks sind Maßnahmen, mit denen Migrant_innen daran gehindert werden, die Grenze ihres Ziellandes zu erreichen. Sie stellen vorverlagerte Pushbacks dar, bei denen Migrant_innen nach dem Überschreiten einer Grenze zurückgedrängt werden, ohne Berücksichtigung ihrer individuellen Umstände und ohne die Möglichkeit, Asyl zu beantragen oder Argumente gegen die getroffenen Maßnahmen vorzubringen. Damit wird unter anderem Artikel 13 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verletzt, welcher garantiert: „Jeder Mensch hat das Recht jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen und in sein Land zurückzukehren“. Bisher sind diese teils gewaltvollen Zurückweisungen von Schutzsuchenden vor allem aus dem Mittelmeer bekannt. Ein Versuch Großbritanniens, Pushbacks auch im Ärmelkanal zu etablieren, scheiterte im April (siehe hier). Frankreich wiederum hatte die britische Forderung, Bootsmigrant_innen in seinen eigenen Hoheitsgewässern abzufangen, also Pullbacks im Interesse Großbritanniens durchzuführen, bislang kategorisch abgelehnt.

Nachfolgend dokumentieren wir den Bericht von Utopia56 in eigener Übersetzung:

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Aus für Pushbacks im Ärmelkanal

Tweet der Gewerkschaft PCS zum Erfolg der Klage gegen Pushbacks, 25. April 2022 (Quelle: PCR Union / Twitter).

Wie die Public and Commercial Services (PCS) Union, Care4Calais, Channel Rescue und Freedom from Torture am heutigen 25. April 2022 mitteilen, hat die britische Regierung ihr Vorhaben aufgegeben, die Boote von Geflüchteten im Ärmelkanal gewaltsam zurückzudrängen. Die vier Organisationen haben damit einen bedeutenden menschenrechtspolitischen Erfolg erzielt: Denn im Zuge ihrer gemeinsamen Klagen gegen die seit Spätsommer 2021 vorbereiteten Pushbacks war ans Licht gekommen, dass die Regierung frühzeitig darüber informiert war, dass sie diese Maßnahme aus rechtlichen Gründen nie gegen Asylbewerber_innen würde anwenden können. Dennoch hielt sie an ihrem Vorhaben fest und täuschte darüber hinaus gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit vor, im legalen Rahmen – wenn auch unter eng umrissenen Bedingungen – solche Pushbacks durchführen zu können. Eine Woche vor der Anhörung des Falls vor dem High Court teilte die Regierung nun mit, dass sie ihre bisherige Pushback-Politik aufgegeben hat.

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Ein leiser Hauch von Pazifik

Wie ein ehemaliger australischer Außenminister die britische Grenzpolitik radikalisieren könnte

Zum ersten Mal ihrer Geschichte wird UK-Border Force einer Überprüfung ihrer Strukturen, Befugnisse, Finanzierung und Pritoritäten unterzogen. Was auf den ersten Blick wie ein bürokratisches Verfahren erscheinen mag, ist ein zutiefst politischer Akt, und zwar nicht nur, weil es um die Bekämpfung der Bootsmigration auf der Kanalroute geht. Denn Innenministerin Priti Patel beauftragte eine Person mit der Überprüfung, die für eine besonders repressive Spielart der Migrationspolitik steht: Alexander Downer.

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Stehen Pushbacks unmittelbar bevor?

Der Ärmelkanal mit Traffic Separation Zones (violette Flächen) und Seegrenzen (graue Linie). (Quelle: Openstreetmaps)

Zu Beginn dieses Jahres berichtete The Times unter Berufung auf eine Quelle im britischen Innenministerium, dass die UK Border Force (UKBF) inzwischen bereit sei, Pushbacks an der Seegrenze zu Frankreich durchzuführen. Folgt man dem Bericht, so hätte es bereits an zwei Tagen im Dezember zu Pushbacks kommen können, wenn an diesen Tagen denn Überfahrten stattgefunden hätten. Innenministerin Priti Patel scheint fest entschlossen zu sein, möglichst rasch solche Operationen durchzuführen, obschon eine gerichtliche Entscheidung über ihre Zulässigkeit noch aussteht, eine erforderliche Vereinbarung mit Frankreich fehlt und sich die Gewerkschaft der Grenzbeamt_innen vehement dagegen ausspricht. Von Channel Rescue wurden nun Belege vorgelegt, die bestätigen, dass Pushbacks unmittelbar vorbereitet werden. Dabei zeichnet sich auch ab, auf welche Weise sie durchgeführt werden könnten.

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Ein Rettungsschiff für den Ärmelkanal

Interview mit Channel Rescue

Der Ärmelkanal bei Calais. (Foto: Th. Müller)

English version below

Channel Rescue entstand 2020 angesichts der wachsenden Zahl von Menschen, die den Ärmelkanal per Boot überquerten. Voraussichtlich wird die britische Organisation ab diesem Jahr mit einem Rettungsschiff auf dem Ärmelkanal präsent sein. Es wäre das erste Schiff einer zivilgesellschaftliche Initiative für Geflüchtete an dieser neuen EU-Außengrenze überhaupt – ein Projekt, das aus unserer Sicht jede nur mögliche Unterstützung verdient. Wir haben mit Steven von Channel Rescue darüber gesprochen, wie sich die Situation an der Kanalroute momentan verändert. Das Interview wurde schriftlich geführt.

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Klagen gegen mögliche Pushbacks

Training für Pushbacks im Ärmelkanal. (Foto: Channel Rescue)

Die britische Initiative Channel Rescue dokumentierte im September 2021 Trainings der Border Force für Pushbacks im Ärmelkanal (siehe hier). Tatsächlich durchgeführt wurden diese bislang, soweit bekannt, nicht. Am 24. November 2021 – dem Tag, an dem 27 Exilierte vor Calais ertranken – reichte Channel Rescue eine Klage gegen die britische Innenministerin Priti Patel mit dem Ziel ein, die Durchführung von Pushbacks zu verhindern. Finanziert wird die Klage durch Crowdfunding: Binnen weniger Tage sind bereits £ 25.000 der angestrebten £ 30.000 zusammengekommen. Neben Channel Rescue klagten noch zwei weitere Organisationen, nämlich Care4Calais und Freedom from Torture, gegen die Innenministerin, wobei die drei Klagen unterschiedliche rechtliche Ansatzpunkte wählen. Wir dokumentieren im Folgenden die Erklärung von Channel Rescue auf der Plattform cowdjustice. Interessierte, die zur Finanzierung beteiligen möchten, finden dort die nötigen Informationen.

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Immunität bei Todesfällen?

Mit Blick auf Pushbacks im Ärmelkanal wies der der Guardian am 13. Oktober 2021 auf eine wenig beachtete Regelung im Entwurf eines neuen britischen Nationaltiäts- und Grenzgesetzes (Nationality and Borders Bill) hin. „A relevant officer is not liable in any criminal or civil proceedings for anything done in the purported performance of functions under this part of this schedule if the court is satisfied that (a) the act was done in good faith, and (b) there were reasonable grounds for doing it,“ lautet die an einer „obskuren Stelle“ (schedule 4A, part A1, paragraph J1) des Gesetzesentwurfs versteckte Passage. Unter Berufung auf „Kreise des Innenministeriums“ berichtet die Zeitung, die Regelung beziehe sich auf Pläne für Pushbacks im Ärmelkanal und solle die Beamt_innen der Border Force vor Strafverfolgung schützen. Insbesondere sollten diese strafrechrechtlich nicht verfolgt werden, „wenn ein Migrant in Gefahr ist oder ertrinkt.“ Mit anderen Worten geht es also um Immunität bei möglichen Todesfällen. Ob eine solche Regelung gegenüber anderen see- und strafrechtlichen Normen jedoch tatsächlich Bestand haben würde, ist nach Ansicht der Zeitung keineswegs sicher.