Kategorien
Calais

Erneuter Todesfall in Calais

Erneut ist in Calais ein Exilierter ums Leben gekommen. Der junge Mann, dessen Identität noch unklar ist, wurde am 4. Juli 2023 mit tödlichen Verletzungen im Bereich einer Autobahn gefunden. Erste Ermittlungen lassen vermuten, dass er versucht hatte, per Lastwagen nach Großbritannien zu gelangen. Es ist der vierte Todesfall eines Exilierten, der seit Jahresbeginn für Calais dokumentiert ist.

Kategorien
Channel crossings & UK

11.500 Bootspassagen in der ersten Jahreshälfte

In den ersten sechs Monaten dieses Jahres ist rund 11.500 Exilierten die Überfahrt nach Großbritannien gelungen. Nach einer Phase mit starkem Wind nahm die Zahl der Passagen im Juni stark zu. Wenige Tage zuvor hatte der britische Premierminister Rushi Sunak von einem Rückgang der Passagen um 20 % gesprochen und für sich in Anspruch genommen, durch seine stop the boats-Politik eine Trendwende bewirkt zu haben. Doch die aktuelle Entwicklung widerspricht dieser Darstellung.

Kategorien
Channel crossings & UK

Juristischer Rückschlag für den Ruanda-Plan

Das Vorhaben der britischen Regierung, Geflüchtete nach der Passage des Ärmelkanals unabhängig von ihrer Herkunft und gegen ihren Willen nach Ruanda abzuschieben, hat am heutigen 29. Juni 2023 einen Rückschlag erfahren. Dem in zweiter Instanz ergangenen Urteil zufolge ist der Ruanda-Plan der Regierung teilweise rechtswidrig, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass Ruanda betroffene Menschen weiter in ihr Herkunftsland abschiebt. Insofern könne Ruanda nicht als ‚sicheres Drittland‘ angesehen werden. Allerdings stellte das Gericht weder die Rechtswidrigkeit des Ruanda-Plans als solchen fest, noch sprach es Ruanda aus anderen Gründen, etwa aufgrund der Menschenrechts- und Sicherheitslage, den Status des ‚sicheren Drittstaats‘ ab. Gleichwohl könnte das Urteil für die antimigrantische Politik der Regierung Sunak zum Problem werden.

Kategorien
Dunkerque & Grande-Synthe

„Du verdienst nicht, was du durchleben musst“

Ein Interview mit No Border Medics über die Arbeit in den Camps bei Dunkerque

No Border Medics in Loon-Plage, Winter 2022/23. (Foto: Enzo Leclerq / Instagram @enzorhino)

Seit Herbst 2022 ist No Border Medics in Nordfrankreich präsent. Die neu gegründete NGO mit Sitz in Hamburg arbeitet vor allem in den Camps von Grande-Synthe, Loon-Plage und Mardyck bei Dunkerque. Dabei stützt sie sich auf ein Kernteam mit Berufen im Gesundheitsbereich und auf internationale Volunteers. Wir sprachen Mitte Juni per WhatsApp mit der Koordinatorin für die Arbeit in Dunkerque, Hana Anane, über medizinisches Arbeiten inmitten des Grenzregimes.

Kategorien
Channel crossings & UK

„Am Beginn einer neuen Phase der Kriminalisierung“

Eine Untersuchung zum Umgang der britischen Justiz mit den small boats

Das britische Recht erlaubt seit 2022 in verschärftem Maße die Kriminalisierung von Exilierten, die den Ärmelkanal „illegal“ passieren. Bislang war wenig darüber bekannt, in welchem Umfang und unter welchen Umständen dies tatsächlich geschieht. Eine Untersuchung der Migrationsforscherin Vicky Taylor vom Centre for Criminology der Universität Oxford gibt nun Einblicke in eine lokale juristische Praxis, die sich der politischen Linie der rechtskonservativen Regierung annähert.

Kategorien
Calais

Räumung des Camps Old Lidl (2)

Nach der Räumung des Camps Old Lidl am 1. Juni 2023 erklärte die Präfektur, knapp 300 Bewohner_innen hätten sich freiwillig in teils weit entfernte Aufnahmezentren bringen lassen. Die Darstellung der Behörde erweckt den Eindruck, man habe den Exilierten lediglich „Vorschläge“ gemacht, die bereitwillig angenommen worden seien. Als die NGO Human Rights Observers (HRO) widersprach, beharrte die Behörde auf der behaupteten Freiwilligkeit. Die Menschenrechtsbeobachter_innen legten nun Video- und Fotomaterial vor, das belegt: Der Transport in die Aufnahmezentren erfolgte nicht freiwillig. Vielmehr stiegen die Exilierten „unter strenger Überwachung durch die Ordnungskräfte“ und angesichts einer möglichen Festnahme durch die anwesende Grenzpolizei in die Busse.

Kategorien
Calais

Räumung des Camps Old Lidl

Das Camp Old Lidl wenige Wochen vor der Räumung, Mai 2023. (Foto: Th. Müller)

Mehrere Jahre lang siedelten hunderte Exilierte auf einem Gelände an der Stadtgrenze von Calais, das offiziell unter dem Namen La Turquerie und inoffiziell als Old Lidl bekannt ist. Zuletzt war es der größte informelle Lebensort in Calais und Umgebung. Die meisten Bewohner_innen waren sudanischer Herkunft. Old Lidl war immer wieder Ziel routinemäßiger (Teil-)Räumungen und Beschlagnahmungen; Teile des Geländes wurden unbenutzbar gemacht und humanitäre Arbeit gezielt behindert. Seit 2022 wird das Areal für die Erweiterung des benachbarten Gewerbegebiets Transmarck vorbereitet und seit Jahresbeginn ein Logistikzentrum errichtet. Am 1. Juni 2023 wurde das Camp vollständig geräumt – diesmal mit dem Ziel, es endgültig aufzulösen. Die Räumung geschah einen Tag, nachdem ein Bewohner in Transmarck durch einen Laster tödlich verletzt worden war (siehe hier).

Kategorien
Calais

Ein weiterer Tod in Transmarck

Erneut ist im Gewerbegebiet Transmarck bei Calais ein Exilierter ums Leben gekommen. Es ist der vierte dokumentierte Todesfall im französisch-britischen Grenzraum in diesem Jahr. Über die Identität des Toten ist bislang nur bekannt, dass es sich um einen jungen Mann aus dem Sudan handelte.

Kategorien
Calais Channel crossings & UK

Zuspitzungen am Strand

[Mit einem Update] Berichte französischer Medien und zivilgesellschaftlicher Organisationen deuten darauf hin, dass die Situation an den nordfranzösischen Ablegestränden der Schlauchboote im Frühjahr 2023 gewalttätiger geworden ist. Da sich das Geschehen jedoch größtenteils bei Nacht und außerhalb der Öffentlichkeit abspielt, liegen nur fragmentarische Informationen vor. So wurden mehrere Fälle bekannt, bei denen Einsatzkräfte Boote nicht mehr nur unbrauchbar machten, sondern zudem in Brand setzten (siehe hier). Ein aktueller Fall gibt weitere Einblicke in dieses für Außenstehende unsichtbare Feld der Grenzpolitik. Er ist auch ein Indiz dafür, dass die Gendarmerie den Konflikt um das Ablegen der Boote zum Anlass nimmt, ihre eigene Stärke zu demonstrieren – und die Situation damit wohl nur noch weiter zuspitzt.

Kategorien
Channel crossings & UK

Anklage gegen Bedienstete der Leitstelle wegen tödlicher Havarie 2021

[Mit einbem Update] Wie die Nachrichtenagentur AFP berichtete, sind fünf Angehörige des französischen Militärs im Zusammenhang mit der bislang schlimmsten Havarie eines Schlauchboots auf dem Ärmelkanal angeklagt worden. Den drei Frauen und zwei Männern wird unterlassene Hilfeleistung vorgeworfen. Sie hatten zum Zeitpunkt der Katastrophe in der Nacht vom 23. auf den 24. November 2021 Dienst in der Leitstelle CROSS Gris-Nez (Centre régional opérationnel de surveillance et de sauvetage Gris-Nez), die für die Seenotrettung in diesem Teil des Ärmelkanals zuständig ist. In der Nacht vergingen rund zehn Stunden, in denen trotz wiederholter Notrufe keine Rettung veranlasst wurde. Schließlich entdeckte ein Fischer zufällig die Leichen von 27 Menschen. Tatsächlich verloren 31 Menschen ihr Leben, lediglich zwei Männer überlebten.