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Anklage gegen Bedienstete der Leitstelle wegen tödlicher Havarie 2021

[Mit einbem Update] Wie die Nachrichtenagentur AFP berichtete, sind fünf Angehörige des französischen Militärs im Zusammenhang mit der bislang schlimmsten Havarie eines Schlauchboots auf dem Ärmelkanal angeklagt worden. Den drei Frauen und zwei Männern wird unterlassene Hilfeleistung vorgeworfen. Sie hatten zum Zeitpunkt der Katastrophe in der Nacht vom 23. auf den 24. November 2021 Dienst in der Leitstelle CROSS Gris-Nez (Centre régional opérationnel de surveillance et de sauvetage Gris-Nez), die für die Seenotrettung in diesem Teil des Ärmelkanals zuständig ist. In der Nacht vergingen rund zehn Stunden, in denen trotz wiederholter Notrufe keine Rettung veranlasst wurde. Schließlich entdeckte ein Fischer zufällig die Leichen von 27 Menschen. Tatsächlich verloren 31 Menschen ihr Leben, lediglich zwei Männer überlebten.

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Calais

Gewalt gegen ablegende Boote

Brennende Boote an der nordfranzisischen Küste. (Quelle: InfoMigrants / Twitter).

Einsatzkräfte gehen an der nordfranzösischen Küste weiterhin gewaltsam gegen ablegende Boote vor. Dabei setzten sie in den vergangenen Monaten auch Boote in Brand. Offizielle Zahlen belegen zudem, dass der größte Teil der schiffbrüchigen Migrant_innen in Nordfrankreich keine angemessene Versorgung erhält.

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Channel crossings & UK

Zahl der Bootspassagen geht leicht zurück

Ärmelkanal bei Calais. (Foto: Th. Müller)

Etwas mehr als 7.000 Menschen erreichten Großbritannien seit Jahresbeginn in unsicheren Schlauchbooten. Damit steigt die Zahl der Bootspassagen im Vergleich zum Vorjahr zum ersten Mal nicht weiter an, sondern geht leicht zurück. Seit der Etablierung der Channel crossings ab dem Herbst 2018 war die Kanalroute von Jahr zu Jahr stärker frequentiert worden; zuletzt war die Zahl der Ankünfte von rund 28.000 im Gesamtjahr 2021 auf rund 46.000 in 2022 angestiegen. Auf diesem Niveau scheint sich die Migration zurzeit einzupendeln.

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EU verhandelt über Frontex-Einsatz am Ärmelkanal

Die europäische Grenzschutzagentur Frontex ist seit Ende 2021 an der französischen Kanalküste mit einem Flugzeug im Einsatz (siehe hier und hier). Am Rande des Gipfeltreffens des Europarats in Reykjavík einigten sich der britische Premierminister Rishi Sunak und EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen nun darauf, den Frontexeinsatz durch ein Abkommen zu regeln. Bezogen auf das politische Streitthema der undokumentierten Migration über den Ärmelkanal wäre es die erste Vereinbarung zwischen dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Union seit dem Brexit. Angekündigt ist allerdings lediglich eine Vereinbarung auf Arbeitsebene, nicht aber das von der Londoner Regierung seit langem eingeforderte Vertragswerk zur umfassenden Bekämpfung der Bootspassagen.

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Calais

Dritter Todesfall in diesem Jahr

[Updated, 12. Mai 2023] Am Nachmittag des 10. Mai 2023 starb in Calais erneut ein Geflüchteter. Lokalen Medien zufolge wurde er auf der Autobahn 216 an der südöstlichen Peripherie der Stadt von einem Lastwagen erfasst und tödlich verletzt. Über die Identität des Mannes ist bekannt, dass es sich um einen etwa dreißigjährigen Exilierten aus dem Sudan handelt.

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Wegdriften von der Rettung

Neue Recherchen dokumentieren eine Routine des Nichtrettung an der französisch-britischen Seegrenze

Ärmelkanal bei Calais. (Foto: Th. Müller)

Recherchen britischer Journalist_innen belegen, dass an der britisch-französischen Seegrenze wiederholt die Rettung von Schlauchbooten unterlassen und verzögert wurde. Offenbar handelt es sich dabei nicht um Einzelfälle, sondern um eine Drift back-Praxis, die darauf setzt, dass Schlauchboote durch Wind und Strömung zurück in französische Gewässer getrieben werden – eine Praxis indirekter Pushbacks. Die Recherchen erhärten auch den Verdacht, dass die bislang schwerste Katastrophe auf der Kanalroute, bei der am 24. November 2021 mindestens 30 Menschen starben, mit diesen Routinen im Zusammenhang steht. Parallel veröffentlichte Recherchen der NGO Alarm Phone geben an einem aktuellen Fall detaillierte Einblicke in die Praxis des Zurückdriftenlassens und dokumentieren den schleichenden Wandel der britischen Küstenwache von der Seenotrettung hin zur Grenzsicherung.

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Calais Channel crossings & UK

Der Sudan und Calais

Über die Verweigerung eines sicheren Migrationspfades

École du Darfour im Jungle von Calais kurz vor ihrer Zerstörung im Oktober 2016. (Foto: Th. Müller).

Die britische Regierung rechtfertigt ihre antimigrantische Agenda gern mit dem Verweis auf sichere und legale Routen für Geflüchtete. Allerdings sind die wenigen nicht illegalisierten Migrationspfade auf einzelne Herkunftsgruppen beschränkt und sollen in Zukunft an Obergrenze gekoppelt sei. Diejenigen, die den Ärmelkanal inoffiziell überqueren, haben in aller Regel keinen Zugang zu diesen Routen. Zu ihnen gehören seit zwei Jahrzehnten auch Geflüchtete aus dem Sudan, die in Calais zeitweise die größte Herkunftsgruppe bildeten. Seit der Eskalation der Machtkämpfe innerhalb des sudanischen Militärregimes am 15. April 2023 schließt die britische Regierung es demonstrativ aus, eine legale und sichere Route für geflüchtete Sudaner_innen in das Vereinigte Königreich auch nur er erwägen. In ihrer Begründung operiert sie mit falschen Behauptungen.

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Fragwürdige Prognosen zur Kanalroute

Die Nachrichtenagentur Reuters meldete am 19. April, die britische Regierung erwarte die Ankunft von 56.000 Bootspassagier_innen im laufenden Jahr. Dies wären etwa zehntausend Personen mehr als im Jahr 2022. Tatsächlich jedoch liegt die Zahl der Menschen, die seit Jahresbeginn auf der Kanalroute übergesetzt sind, momentan etwas unter dem Vorjahr. Auch im vergangenen Jahr hatten britische Medien über amtliche Prognosen berichtet, die stark über der tatsächlichen Zahl der Geflüchteten auf der Kanalroute lagen.

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Steuern und Töten

Über die Anklage eines Überlebenden der tödlichen Havarie am 14. Dezember 2022

Ärmelkanal bei Calais. (Foto: Th. Müller)

Gegen Ibrahima Bah, einen 19 Jahre alten Überlebenden der tödlichen Havarie am 14. Dezember 2022, ist in Großbritannien zum zweiten Mal Anklage erhoben worden. Bezog sich die erste Anklage auf den Vorwurf der Beihilfe zur „illegalen“ Einreise, so steht der junge Mann nun wegen manslaugter (Totschlag) vor Gericht. Der Vorwurf stützt sich allein darauf, dass er das havarierte Boot gesteuert haben soll. Der Fall reiht sich damit in eine zweifelhafte Praxis europäischer Strafverfolgungsbehörden ein.

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Das Schiff Bibby Stockholm

Ein antimigrantisches Symbol wird Teil der britischen Grenzpolitik

Darstellung der Bibby Stockholm auf der Website der Eigentümerfirma. (Quelle: Bibby Marine)

Das Schiff Bibby Stockholm ist eine Art transportabler Wohnblock, in dem in den vergangenen Jahrzehnten wechselweise Asylsuchende, Abschiebehäftlinge und Arbeiter_innen maritimer Baustellen lebten. In Deutschland erlangte das Schiff in den 1990er-Jahren eine fragwürdige Bekanntheit, als es als Massenunterkunft in Hamburg diente. Aufgrund seiner Geschichte kann das Schiff als ein migationspolitisches Symbol gelesen werden: Nicht mehr auf See, aber noch nicht an Land, symbolisierte einen Aufenthalt ohne Ankommen, ein Leben unter Vorbehalt. In einigen Monaten soll das Schiff nun im südenglischen Hafen Portland Geflüchtete beherbergen. Die Maßnahme ist Teil einer massiven Verschärfung der britischen Grenz- und Asylpolitik, die sich gezielt gegen Menschen richtet, auf Schlauchbooten nach Großbritannien gelangen und von einem Asyl auf britischem Boden radikal ausgeschlossen werden sollen.