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Calais Channel crossings & UK

Der Sudan und Calais

Über die Verweigerung eines sicheren Migrationspfades

École du Darfour im Jungle von Calais kurz vor ihrer Zerstörung im Oktober 2016. (Foto: Th. Müller).

Die britische Regierung rechtfertigt ihre antimigrantische Agenda gern mit dem Verweis auf sichere und legale Routen für Geflüchtete. Allerdings sind die wenigen nicht illegalisierten Migrationspfade auf einzelne Herkunftsgruppen beschränkt und sollen in Zukunft an Obergrenze gekoppelt sei. Diejenigen, die den Ärmelkanal inoffiziell überqueren, haben in aller Regel keinen Zugang zu diesen Routen. Zu ihnen gehören seit zwei Jahrzehnten auch Geflüchtete aus dem Sudan, die in Calais zeitweise die größte Herkunftsgruppe bildeten. Seit der Eskalation der Machtkämpfe innerhalb des sudanischen Militärregimes am 15. April 2023 schließt die britische Regierung es demonstrativ aus, eine legale und sichere Route für geflüchtete Sudaner_innen in das Vereinigte Königreich auch nur er erwägen. In ihrer Begründung operiert sie mit falschen Behauptungen.

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Channel crossings & UK

Fragwürdige Prognosen zur Kanalroute

Die Nachrichtenagentur Reuters meldete am 19. April, die britische Regierung erwarte die Ankunft von 56.000 Bootspassagier_innen im laufenden Jahr. Dies wären etwa zehntausend Personen mehr als im Jahr 2022. Tatsächlich jedoch liegt die Zahl der Menschen, die seit Jahresbeginn auf der Kanalroute übergesetzt sind, momentan etwas unter dem Vorjahr. Auch im vergangenen Jahr hatten britische Medien über amtliche Prognosen berichtet, die stark über der tatsächlichen Zahl der Geflüchteten auf der Kanalroute lagen.

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Channel crossings & UK

Steuern und Töten

Über die Anklage eines Überlebenden der tödlichen Havarie am 14. Dezember 2022

Ärmelkanal bei Calais. (Foto: Th. Müller)

Gegen Ibrahima Bah, einen 19 Jahre alten Überlebenden der tödlichen Havarie am 14. Dezember 2022, ist in Großbritannien zum zweiten Mal Anklage erhoben worden. Bezog sich die erste Anklage auf den Vorwurf der Beihilfe zur „illegalen“ Einreise, so steht der junge Mann nun wegen manslaugter (Totschlag) vor Gericht. Der Vorwurf stützt sich allein darauf, dass er das havarierte Boot gesteuert haben soll. Der Fall reiht sich damit in eine zweifelhafte Praxis europäischer Strafverfolgungsbehörden ein.

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Channel crossings & UK

Das Schiff Bibby Stockholm

Ein antimigrantisches Symbol wird Teil der britischen Grenzpolitik

Darstellung der Bibby Stockholm auf der Website der Eigentümerfirma. (Quelle: Bibby Marine)

Das Schiff Bibby Stockholm ist eine Art transportabler Wohnblock, in dem in den vergangenen Jahrzehnten wechselweise Asylsuchende, Abschiebehäftlinge und Arbeiter_innen maritimer Baustellen lebten. In Deutschland erlangte das Schiff in den 1990er-Jahren eine fragwürdige Bekanntheit, als es als Massenunterkunft in Hamburg diente. Aufgrund seiner Geschichte kann das Schiff als ein migationspolitisches Symbol gelesen werden: Nicht mehr auf See, aber noch nicht an Land, symbolisierte einen Aufenthalt ohne Ankommen, ein Leben unter Vorbehalt. In einigen Monaten soll das Schiff nun im südenglischen Hafen Portland Geflüchtete beherbergen. Die Maßnahme ist Teil einer massiven Verschärfung der britischen Grenz- und Asylpolitik, die sich gezielt gegen Menschen richtet, auf Schlauchbooten nach Großbritannien gelangen und von einem Asyl auf britischem Boden radikal ausgeschlossen werden sollen.

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Calais Channel crossings & UK

Etwa 3.800 Bootspassagen seit Jahresbeginn

Nachdem im Februar deutlich mehr Geflüchtete den Ärmelkanal in kleinen Booten passiert haben als in den Vorjahresmonaten (siehe hier), lag ihre Zahl im Monat März etwas niedriger: War die Überfahrt bis Ende Februar bereits 3.147 Menschen gelungen, waren es Ende März nach vorläufigen Angaben 3.790. Im Gegensatz zum März des vergangenen Jahres, als punktuell über 400 Menschen in derselben Nacht übersetzten, waren es an günstigen Tagen nun höchstens halb so viele. Der Monat war von anhaltend ungünstiger Witterung geprägt, sodass nur an sieben Tagen überhaupt Boote übersetzten. Hieraus einen Effekt der drakonischen Gesetzesinitiative der britischen Regierung gegen die Bootspassagier_innen abzuleiten, wäre vor diesem Hintergrund verfehlt. Zugleich berichten sowohl die Behörden als auch die Hilfsorganisation Utopia 56 von brennenden Booten an der nordfranzösischen Küste.

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Channel crossings & UK

Einstieg in ein britisches Lagersystem?

(Mit einem Update vom 31. März 2023) Wenige Wochen, nachdem die Londoner Regierung eines der restriktivsten Migrationsgesetze Europas auf den Weg gebracht hat (siehe hier), erwarten britische Medien noch eine weitere Verschärfung: Offenbar ist geplant, Asylsuchende nicht mehr, wie bisler üblich, in Hotels unterzubringen, sondern auf stillgelegten Fähren und auf Militärstützpunkten. Die Verschärfung soll sowohl für Menschen gelten, die über den Ärmelkanal nach Großbritannien übersetzen, als auch für solche, die bereits ein Anerkennungsverfahren durchlaufen.

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Channel crossings & UK Dunkerque & Grande-Synthe

Strafprozess wegen tödlicher Havarie im Herbst 2021

In den ersten Novembertagen des Jahres 2021 starben an der nordfranzösischen Küste mehrere Exilierte (siehe hier). Ihre Todesfälle ereigneten sich unabhängig voneinander teils auf See, teils an Land. In Dunkerque wurde einer dieser Fälle nun vor Gericht verhandelt. Angeklagt war ein kurdischer Mann aus dem Iran, dem fahrlässige Tötung, Beihilfe zur Überfahrt und Gefährdung anderer Personen vorgeworfen wurde. Der Prozess endete mit einem Schuldspruch, zeigte jedoch auch, dass der Angeklagte nicht zu den Profiteuren der gescheiterten Grenzpassage gehörte.

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Channel crossings & UK

Etwa 3.000 Bootspassagen am Vorabend von Sunaks Kampagne

In der beginnenden Woche wird der britische Premierminister Rishi Sunak zunächst seine Pläne zur Verschärfung des Asylrechts darlegen und wenige Tage später mit dem französischen Präsidenten Macron zu einem Regierungsgipfel zusammenkommen. Voraussichtlich wird es auf eine Gesetzesinitiative zur Deportation aller Bootsmigrant_innen nach Ruanda oder in ein anderes Drittland hinauslaufen, die u.a. durch die Festsetzung der betroffenen Menschen in lagerähnlichen Einrichtungen flankiert sein wird. Ob es Sunak außerdem gelingt, Frankreich oder die EU zu einem seit Jahren angestrebten Rücknahmeankommen zu bewegen, wird sich zeigen. Was jedoch jetzt bereits klar ist: Ungeachtet aller auf Abschreckung zielenden Kampagnen der vergangenen Monate und Jahre ist die Zahl der Bootspassagen in diesem Winter weiter angestiegen. Wie die BBC unter Berufung auf das Innenministerium mitteilt, erreichten seit Jahresbeginn 2.950 Menschen in small boats britisches Hoheitsgebiet. Die Marke von 3.000 Passagier_innen war im Jahr 2022 erst in der zweiten Märzhälfte und im Jahr 2021 im Mai erreicht worden (siehe hier und hier).

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Calais

Antimigrantische Zwecklandschaft wird ausgebaut

Versperrung einer von Exilierten genutzten Fläche in Calais, 1. März 2023 (Quelle: Utopia 56 / Twitter)

Um Geflüchtete aus der Innenstadt von Calais zu verdrängen, ließ die Stadtverwaltung im vergangenen Jahr rund 600 schwere Steine aufschütten und in einer bestimmten Formation anordnen. So entstand eine bizarre Steinlandschaft beiderseits der historischen Quais, eine radikale antimigrantische Zwecklandschaft im Herzen der Stadt (siehe hier und hier). Am 1. März 2023 wurde die Anlage weiter ausgebaut. Ihr Zweck besteht darin, das Aufstellen von Zelten unmöglich zu machen und zivilgesellschaftliche Versorgungsinfrastrukturen zu blockieren.

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Channel crossings & UK

Humanitäres Visum: Ein Vorschlag und seine Kehrseite

Kanalfähre bei Calais. (Foto: Th. Müller)

Migration, und insbesondere die undokumentierte Querung des Ärmelkanals, ist zu einem Agitationsfeld der britischen Rechten geworden. Während die Londoner Regierung eine alarmistisch-disruptive Rhetorik benutzt, wurden im Februar 2023 Hotels, in denen Geflüchtete untergebracht sind, zum Ziel teils gewalttätiger Straßenproteste. In Kürze wird die Rishi Sunak den Entwurf eines Migrationsrechts vorstellen, das zu den restriktivsten Europas gehören dürfte. In dieser Situation hat der Thinktank British Future im Februar einen Gegenentwurf vorgelegt, der u.a. humanitäre Visa für eine legale Einreise nach Großbritannien vorsieht. Wäre der Vorschlag Realität, so hätte ein Teil der fast 46.000 Channel migrants des Jahres 2022 den Ärmelkanal auf einer Fähre statt in einem Schlauchboot überqueren dürfen. Dennoch stellt der Vorschlag keine Abkehr von der repressiven Grenzpolitik der vergangenen Jahrzehnte dar. Er schreibt sie vielmehr unter realistischeren Bedingungen fort und könnte, würde er umgesetzt, eine riskantere Situation für diejenigen schaffen, die nicht von einem solchen Visum profitieren. Spielen wir den Vorschlag doch einmal durch.