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Die Bootspassagen ein Jahr nach der Katastrophe

Zurückgelassener Schlafsack in den Slack-Dünen bei Boulogne-sur-Mer, einer bekannten Ablegestelle der Boote, November 2022. (Foto: Th. Müller)

Nahe der britisch-französischen Seegrenze havarierte am 24. November 2021 ein Schlauchboot, das mit über dreißig Passagier_innen nahe Dunkerque in See gestochen war. Bis auf zwei Überlebende ertranken alle, und zwar trotz abgesetzter Notrufe. Es war die bislang schlimmste Katastrophe dieser Art im Ärmelkanal. Bald nach der Havarie berichteten die beiden Überlebenden, dass die alarmierten Leitstellen in Frankreich und Großbritannien aufeinander verwiesen hätten, statt einen Rettungeinsatz zu veranlassen (siehe hier). Die meisten Opfer starben in der dadurch verstrichenen Zeitspanne, bevor schließlich ein Fischer die im Wasser treibenden Leichen entdeckte. Das Versagen der zuständigen Dienste steht inzwischen außer Frage. Es ist Gegenstand juristischer Untersuchungen und journalistischer Recherchen (etwa in Le Monde) und es ist damit zu rechnen, dass im Umfeld des Jahrestags weitere Details publik werden – wir werden daher zu einem späteren Zeitpunkt auf diesen Punkt zurückkommen. Zunächst möchten wir anhand einiger Eckdaten skizzieren, wie sich die Bootspassagen seit der Katastrophe entwickelt und verändert haben.

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Todesfall im Lager Manston

Ein Mann, der am 12. November 2022 per Boot auf der Kanalroute nach Großbritannien gelangt war, ist eine Woche später, am 19. November, gestorben. Er war im Manston processing centre in der Grafschaft Kent untergebracht. Laut BBC und Guardian klagte er am Vorabend über Beschwerden und wurde ins Krankenhaus eingeliefert, wo er am folgenden Morgen starb. Über die Identität des Mannes und die genauen Todesumstände ist bislang nichts bekannt. Die Einrichtung in Manston war in den vergangenen Monaten durch ihre starke Überbelegung, heftige Klagen von Bewohner_innen sowie den Ausbruch von Infektionskrankeiten in die Schlagzeilen geraten.

[Mit einem Update]

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Frontex verlängert Einsatz am Ärmelkanal

Seit dem 1. Dezember 2021 ist ein Frontex-Flugzeug an der nordfranzösischen Küste im Einsatz. Die EU-Grenzschutzagentur wird ihre Präsenz am Ärmelkanal nun verlängern. Wie InfoMigrants berichtet, erklärte die Exekutivdirektorin von Frontex, Aija Kalnaja, am 10. November vor dem französischen Senat, man unterstützte „die französischen Grenzschutzbehörden durch eine Luftüberwachung“ und werde „dies auch im kommenden Jahr fortsetzen“.

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Rede einer Besessenen

Vorstellung der neuen britischen Innenministerin, 6. September 2022. (Quelle: Britische Regierung / Twitter)

Seit dem 6. September 2022 amtiert die frühere Generalstaatsanwältin Suella Braverman als Innenministerin der Regierung Truss. Bereits während ihrer Kandidatur für den Vorsitz der Konservativen Partei hatte sie angekündigt, sie werde die Bootspassagen im Ärmelkanal stärker bekämpfen, das Abkommen mit Ruanda umsetzen und rechtliche Hindernisse ausräumen. In ihrer Grundsatzrede auf dem Parteitag der Tories in Birmingham am 4. Oktober 2022 machte sie nun erneut deutlich, dass die Bekämpfung der Kanalroute eines ihrer zentralen politischen Ziele ist. Wie genau, bleibt noch unklar. Aber während ihrer Amtszeit könnten Angriffe auf rechtstaatliche Normen zum Mittel der Wahl werden.

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Etwa 30.000 Bootspassagen seit Jahresbeginn

Tweet des BBC-Journalisten Simon Jones über das Erreichen der Vorjahreszahl an Kanalquerungen am 12. September 2022. (Quelle: Twitter/Simon Jones)

Als das britische Verteidigungsministerium am 12. September 2022 die Ankunft von 19 small boats mit 601 Exilierten im britischen Hoheitsgebiet registrierte, erreichte die Anzahl der Channel crossings in diesem Jahr 28.592 und überstieg damit den Wert des gesamten Vorjahres. Drei Tage später stieg die Zahl auf knapp 30.000 Personen. Wie bereits in den Jahren seit 2018, hat sich Anzahl der geglückten Bootspassagen ein weiteres Mal gegenüber dem Vorjahreszeitraum verdoppelt. Währenddessen hat mit Suella Braverman eine neue britische Innenministerin die Amtsgeschäfte aufgenommen, die ernsthaft eine Reduzierung der Überfahrten auf Null propagiert.

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Konservative Utopie und kontrafaktische Politik: Zum Rücktritt Priti Patels

Meldung des BBC-Journalisten Simon Jones zur Ankunft von Channel crossers in Großbritannien, 5. September 2022 (Quelle: Simon Jones / Twitter)

In wenigen Tagen, vielleicht auch nur in wenigen Stunden, werden so viele Menschen den Ärmelkanal seit Jahresbeginn in kleinen Booten passiert haben wie im gesamten Jahr 2021. Waren es damals rund 28.500 Personen, so sind es in diesem Jahr bereits knapp 27.500. Das Erreichen der jeweiligen Vorjahreszahl und die darin sichtbare Dymanik der Migration auf der Kanalroute sind im britischen Mediendiskurs seit einigen Jahren ein symbolbelades Ereignis. In diesem Jahr fällt es mit der Entscheidung über die Übernahme des Parteivoritzes der Konservativen Partei und damit der künftigen Regierungsgeschäfte durch Liz Truss zusammen – und mit dem Rücktritt von Innenministerin Priti Patel, die auf diese Weise vermutlich ihrer Entlassung durch Truss zuvorkam.

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Anklage gegen Mitverantwortliche am Tod von 27 Exilierten

Wie französische Medien berichten, wurden Ende Juni fünfzehn Personen in Polizeigewahrsam genommen. Sie werden verdächtigt, als Angehörige einer Schleusungsorganisation für die Havarie am 24. November 2021 verantwortlich zu sein, bei der mindestens 27 Menschen im Ärmelkanal ertranken. Es war die tödlichste Havarie in der Geschichte der Kanalroute. Doch beleuchtet die nun beginnende strafrechtliche Aufarbeitung nur einen Teil des Geschehens, das zur Katastrophe führte.

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Analyse des britischen Ruanda-Deals

https://migration-control.info/one-way-ticket-nach-afrika/

Wir freuen uns, auf eine vertiefende Analyse des britisch-ruandischen Migrations-Deals hinweisen zu können: Der Beitrag unter dem Titel One-way-Ticket nach Afrika entstand als gemeinsames Projekt der Journalistin Sabine Schlindewein mit der Redaktion unseres Blogs und wurde auf dem Portal Migration Control veröffentlicht. Er beleuchtet den Versuch der britischen Regierung, Geflüchtete unabhängig von ihrer Nationalität und Herkunft nach Ruanda zu verbringen, aus einer doppelten Perspektive: der migrationspolitischen Entwicklung Großbritanniens und Ruandas. Aus dem Inhalt:

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10.000 Passagen einer militarisierten Grenze

Im Ärmelkanal, Mai 2022. (Foto: Channel Rescue).

Wie britische Medien Anfang Juni meldeten, haben seit Jahresbeginn 9.988 Personen die britische Seegrenze in kleinen Booten passiert. Inzwischen dürfte ihre Zahl auf über 10.000 angestiegen sein. Zum Vergleich: Im Vorjahr war Mitte Juni die Zahl von 5.000 (siehe hier) und Anfang August die Zahl von 10.000 Bootspassagier_innen (siehe hier) erreicht worden, und 2019 hatte die Zahl bei Jahresesende noch unter 2.000 gelegen. Das Überschreiten der symbolpolitisch gut verwertbaren 10.000er-Marke dürfte den populistischen Diskurs in Großbritannien weiter anheizen, obwohl sie eher das Scheitern einer auf Migrationsverhinderung fokussierten Politik offenbart. Trotz der massiven Einschnitte der britischen Regierung in das Asylsystem, trotz der Drohung mit Deportationen nach Ruanda und trotz der Kompetenzübertragung auf das Militär – alle diese Maßnahmen datieren in die erste Jahreshälfte – wurde die Kanalroute von doppelt so vielen Menschen frequentiert wie ein Jahr zuvor.

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Aus für Pushbacks im Ärmelkanal

Tweet der Gewerkschaft PCS zum Erfolg der Klage gegen Pushbacks, 25. April 2022 (Quelle: PCR Union / Twitter).

Wie die Public and Commercial Services (PCS) Union, Care4Calais, Channel Rescue und Freedom from Torture am heutigen 25. April 2022 mitteilen, hat die britische Regierung ihr Vorhaben aufgegeben, die Boote von Geflüchteten im Ärmelkanal gewaltsam zurückzudrängen. Die vier Organisationen haben damit einen bedeutenden menschenrechtspolitischen Erfolg erzielt: Denn im Zuge ihrer gemeinsamen Klagen gegen die seit Spätsommer 2021 vorbereiteten Pushbacks war ans Licht gekommen, dass die Regierung frühzeitig darüber informiert war, dass sie diese Maßnahme aus rechtlichen Gründen nie gegen Asylbewerber_innen würde anwenden können. Dennoch hielt sie an ihrem Vorhaben fest und täuschte darüber hinaus gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit vor, im legalen Rahmen – wenn auch unter eng umrissenen Bedingungen – solche Pushbacks durchführen zu können. Eine Woche vor der Anhörung des Falls vor dem High Court teilte die Regierung nun mit, dass sie ihre bisherige Pushback-Politik aufgegeben hat.