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Channel crossings & UK

Ein leiser Hauch von Pazifik

Wie ein ehemaliger australischer Außenminister die britische Grenzpolitik radikalisieren könnte

Zum ersten Mal ihrer Geschichte wird UK-Border Force einer Überprüfung ihrer Strukturen, Befugnisse, Finanzierung und Pritoritäten unterzogen. Was auf den ersten Blick wie ein bürokratisches Verfahren erscheinen mag, ist ein zutiefst politischer Akt, und zwar nicht nur, weil es um die Bekämpfung der Bootsmigration auf der Kanalroute geht. Denn Innenministerin Priti Patel beauftragte eine Person mit der Überprüfung, die für eine besonders repressive Spielart der Migrationspolitik steht: Alexander Downer.

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Calais

Permanent in flagranti: Räumungen im Winter

Protest von dem Rathaus von Calais. (Foto/Grafik: Faim aux frontières)

Zweiunddreißig Tage lang protestierten abwechselnd rund 50 Menschen vor dem Rathaus von Calais, um die Forderungen sichtbar zu machen, die bereits während des Hungerstreiks in der Kirche Saint-Pierre im Oktober und November 2021 aufgestellt worden waren (siehe hier). Im Kern ging und geht es um ein Ende der permanenten Räumungen zumindest während des Winters, um ein Ende der massiven Beschlagnahmungen und um repressionsfreie Arbeitsbedingungen für die zivilgesellschaftlichen Organisationen, die einen Großteil der elementaren Versorgung der Camps leisten. Der Protest vor dem Rathaus stand in der Nachfolge des Hungerstreiks und wird, wie das Kollektiv Faim aux frontières mitteilte, nicht die letzte politische Intervention bleiben. Allerdings hat der Protest nicht zu einer Revision der Zermürbungstaktik gegenüber den Exilierten geführt. Die dokumentarische Arbeit der Human Rights Observers (HRO) in diesem Winter zeigt, dass elementare Recht auf ein menschenwürdiges Leben, insbesondere auf Wohnung und Eigentum, weiterhin massiv und systematisch verletzt werden.

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Calais Solidarität

Zweites besetztes Haus vorläufig geschützt

Das besetzte Haus in der Calaiser Innenstadt. (Foto: Calais Logement pour Tous.tes)

„Gute Nachrichten: Gestern Morgen kam ein Gerichtsvollzieher an dem Haus in der Rue F. Sauvage vorbei, stellte die Personalien der Bewohner_innen fest und nahm die Beweise für die Besetzung mit, die ihm übergeben wurden!“ Mit dieser Mitteilung gab das Kollektiv Calais Logement pour Tous.tes am 19. Februar 2022 einen wichtigen Etappenerfolg seines Vorhabens bekannt, einen offenen Raum für Geflüchtete und Aktivist_innen in Calais zu schaffen. „Wir sind jetzt vor einer Räumung im Morgengrauen mit einem Hubschrauber sicher, und das normale Verfahren wird eingeleitet.“

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Channel crossings & UK

Notrufe ins Leere

Neue Erkenntnisse zur tödlichen Havarie am 24. November 2021

Wir haben an dieser Stelle mehrfach über die Havarie berichtet, die am 24. November 2021 mindestens 27 Menschen inmitten des Ärmelkanals das Leben kostete (siehe hier, hier, hier und hier). In den Wochen danach griffen wir Berichte der beiden Überlebenden auf, denen zufolge die Menschen auf dem havarierten Boot bereits frühzeitig Notrufe abgesetzt hatten, jedoch stundenlang keine Rettung erfolgte. Ihre Anklage, die von verschiedenen Indizien gestützt wurden, ging noch weiter: Die französischen und britischen Leitstellen hätten wechswelseitig behauptet, das Boot befände sich um Gebiet des jeweils andere Staat und dieser sei für die Rettung zuständig (siehe hier, hier und hier). Bis heute ist nicht genau bekannt, was in den Nacht- und Morgenstunden des 24. November geschah, doch bestätigen Recherchen von France Inter die Aussagen der Überlebenden nun in einem wesentlichen Punkt.

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Channel crossings & UK

„Mit diesen Booten hat man keine Chance“

Interview mit Gérard Barron, Präsident der Seenotrettungs-Brigade SNSM in Boulogne-sur-Mer

Gérard Barron ist ein pensionierter Anwalt. In Boulologne, rund 35 Kilometer südwestlich von Calais, leitet er die Filiale der Société Nationale de Sauvetage en Mer (SNSM). In dieser Funktion bekommt er die Krise am Ärmelkanal aus nächster Nähe mit – und aus einer besonderen Perspektive. Das Interview fand Mitte Januar vor dem SNSM-Gebäude am Hafen statt.

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Calais Solidarität

Räumung des besetzten Hochhauses

Polizeiaktion im besetzten Hochhaus, 11. Februar 2022. (Quelle: Calais Logement pour Tous.tes / Twitter)

[Updated, 18. Februar] Der am 4. Februar 2022 besetzte Wohnblock an der Rue d’Ajaccio (siehe hier) im Calaiser Stadtteil Fort-Nieulay wurde am heutigen Tag geräumt. Lokalen Medien zufolge hatte das zuständige Gericht in Boulogne-sur-Mer am Vortag einen Räumungstitel unterzeichnet. Am frühen Morgen räumte die Polizei, darunter CRS und die Spezialeinheit RAID der Police nationale, dann das Gebäude: Ein Video zeigt, wie sich vier RAID-Polizisten von einem Hubschrauber auf das Flachdach des Hauses abseilen und von dort aus Explosivkörper im Inneren des Gebäudes zünden. Kurz darauf kommt es zu einem CS-Gas-Einsatz vor dem Gebäude, als die Besetzer_innen es verlassen und einige Unterstützer_innen, die sich auf dem Vorplatz versammelt haben, zu ihnen wollen. Diese öffentliche Präsenz habe, so erklärten die Besetzer_innen später in einem Tweet, verhindert, dass Personalienfeststellungen durchgeführt werden konnten. Lediglich eine Person sei zu diesem Zweck festgenommen worden, aber inzwischen wieder frei. Vier andere Personen befinden sich nach einer Festnahme am Vortag in Polizeigewahrsam.

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Calais Solidarität

Räume der Solidarität: Aktivist_innen besetzen Häuser in Calais

Die Besetzer_innen veröffentlichten am 7. Februar dieses Foto des besetzten Wohnblocks in Calais. (Foto: Calais Logement pour Tous.tes)

Im zeitlichen und politischen Kontext der Commémoraction-Demonstration am 6. Februar besetzten Aktivist_innen zwei Häuser in Calais: ein leerstehendes Wohnhaus in der Rue Frédéric-Sauvage im Stadtteil Fontinettes und einen zehnstöckigen Wohnblock in der Rue d’Ajaccio im Stadtteil Fort-Nieulay. In diesem Gebiet im Westen der Stadt bestehen seit mehreren Jahren informelle Camps von Geflüchteten. Obschon die Besetzungen offenbar bereits einige Tage früher durchgeführt wurden, machten die Aktivist_innen sie erst am 7. Februar öffentlich. Gleichzeitig erklärten sie ihre Solidarität mit den Geflüchteten und anderen Menschen in prekären Verhältnissen, baten um überregionale Unterstützung – und sehen sich zur Stunde durch ein massives Polizeiaufgebot belagert.

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Calais Solidarität

Commémoraction: Sichtbarmachung des Schreckens

Beisetzung von Mohamad Abdallah Youssef auf dem Nordfriedhof von Calais, 4. Februar 2022 (Foto: Julia Druelle)

Der bislang letzten Menschen, der infolge der britisch-französischen Grenzpolitik starb, war Mohamad Abdallah Youssef aus dem Sudan (siehe hier). Am 4. Februar 2022 setzten Freunde und Weggefährten ihn auf dem Nordfriedhof von Calais bei. Zwei Tage später demonstrierten rund 500 Menschen in Calais zum Gedenken an die Toten der Grenze. „Ich habe ihn wegen der geschlossenen Grenze verloren,“ erklärte Mohamads Cousin auf der Kundgebung. Die Demonstration war Teil des internationalen Gedenk- und Protesttags CommemorAction bzw. Commémoraction in Erinnerung an die Tötung von mindestens 15 Exilierten durch die spanische Guardia Civil am 6. Februar 2014 (siehe hier). Wir dokumentieren den Protest anhand einer Bilderserie der Calaiser Fotografin Julia Druelle.

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Externe Berichte

Februar 2022

Wir verlinken hier eine Auswahl aktueller Meldungen aus den Medien und Beiträge von Exilierten und Aktivist_innen und mit Bezug zur Situation im kontinentaleuropäisch-britischen Migrationsraum.

Foto: Julia Druelle
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Channel crossings & UK

Mehr als 1.300 Bootspassagen im Januar

Sichere, für die Betroffenen aber nicht gangbare Route: Fähre auf dem Ärmelkanal. (Foto: Th. Müller)

Nachdem sich die Anzahl der Bootspassagen des Ärmelkanals im vergangenen Jahr mehr als verdreifacht hatte und auch während der risikoreichen Herbstmonate hoch gewesen waren, zeigt sich nun: Auch im Januar haben sehr viel mehr Menschen diese maritime Route frequentiert als vor einem Jahr. Registrierten die britischen Behörden im Januar vergangenen Jahres 224 Passagier_innen, waren es laut BBC in diesem Januar 1341 Menschen, also fast sechs Mal so viele. Die angekündigte Militarisierung, mit der die britische Regierung dem Phänomen neuerdings begegnen will (siehe hier), scheint noch nicht begonnen zu haben. Währenddessen unternimmt die französische EU-Ratspräsidentschaft den Versuch einer Europäisierung.