Wie bereits früher berichtet, dient neben anderen belgischen Orten auch Brüssel als Ausgangspunkt für den Weg über den Ärmelkanal. Zu Beginn des confinement (belgische Ausgangsbeschränkungen) waren sie im März 2020 aus dem Parc Maximilien, ihrem bereits vor Jahren etablierten Treffpunkt und zeitweise auch Übernachtungsplatz verdrängt und sehr schnell in Unterkünften untergebracht worden. Diese befinden sich in der gleichen Stadt und werden von solidarischen zivilgesellschaftlichen Organisationen betrieben.
Autor: tm
Care4Calais über den Einsatz von CS-Gas
Der Einsatz von CS-Gas als Teil polizeilicher Routine wurde in Calais wiederholt beobachtet und dokumentiert. Die britische Organisation Care4Calais machte nun einen aktuellen Fall öffentlich, der den Einsatz und die gesundheitlichen Folgen des Reizgases dokumentiert, aber auch deutlich macht, wie schwierig es war, eine medizinische Versorgung des Opfers zu organisieren. Der am 11. April 2020 zunächst auf der Facebookseite der Organisation, später dann auch auf ihrer Website, veröffentlichte Bericht beruht auf der zufälligen Begegnung eines Mitarbeiters der Organisation mit einem schwer im Gesicht verletzten Opfer.
Zur Illegalität der Räumungen
Sonderberichterstatterin der UN und Refugee Rights Europe zur Menschenrechtslage
Wir berichteten in diesem Blog wiederholt über exzessive Räumungen von Camps, deren Bewohner_innen in aller Regel keine alternative Unterbringung geboten wird. Um die Illegalität dieser Praxis besser zu verstehen, helfen zwei Berichte, die im März und April 2020 veröffentlicht wurden. Verfasst wurden sie zum einen von der Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für das Recht auf Wohnen, Leilani Farha, und zum anderen von der zivilgesellschaftlichen Organisation Refugee Rights Europe, letzterer in Zusammenarbeit mit den lokal tätigen Initiativen Help Refugees und Human Rights Observers. Beide Berichte machen deutlich, wie eklatant das Vorgehen der französischen Behörden sowohl gegen internationales wie nationales Recht verstößt.
by Nabaz Sharif (Northern France)
Der französische Fernsehsender France3 berichtete am 16. April 2020 über die Situation in Calais. Nach Angaben der Präfektur des Departements Pas-de-Calais haben sich demnach fünf Migrant_innen mit dem Coronavirus infiziert, von denen zwei genesen und drei isoliert worden seien. Insgesamt 290 Personen seien während des confinement (den französischen Ausgangsbeschränkungen) von den Behörden in Aufnahmezentren, Sportstätten und Hotels des Departements untergebracht worden.
Die in Calais tätige britische Organisation Care4Calais veröffentlichte am 19. April 2020 über Facebook die Ergebnisse einer Umfrage unter 150 Geflüchteten in Calais und Grande-Synthe (Dunkerque). Es ist die erste durch Befragungen einer größeren Gruppe ermittelte Stimmungsbild seit dem Beginn der Corona-Krise. Sie zeigt u.a., dass Ängste in Bezug auf die konkrete Lebenssituation und die Ernährungslage größer sind als die Furcht vor einer Infektion, worin sich auch nach Ansicht der Organisation die desaströse Versorgungslage und das fehlende Vertrauen in den französischen Staat spiegeln.
Passeurs d’hospitalités über Calais im März
Um den Beginn der Corona-Krise im Jungle besser zu verstehen, hilft ein Blick in den Weblog Passeurs d’hospitalités. Zwischen 2014 und 2018 war er so etwas wie eine Chronik der Ereignisse: Sprachrohr keiner einzelnen Initiative, aber mit seiner kritischen analytischen Sicht an der Seite der Exilierten. Nach längerer Pause wurden am 17. und 18. März 2020 zwei neue Berichte veröffentlicht. Julia Druelle beschreibt darin die Situation am Beginn der Coronakrise und an den ersten Tagen des confinement, aber noch vor dem Auftreten der ersten Infektionen. Wir dokumentieren die Texte in deutscher Übersetzung.
„They don’t think that we are humans“
Am 13. April 2020 richteten eritreische Geflüchtete aus dem Jungle von Calais einen offenen Brief an den Präfekten des Pas-de-Calais und an die Medien, in dem sie ihre inhumane Behandlung durch die Polizeieinheit Compagnies républicaines de sécurité (CRS) anprangern. Dabei schildern sie acht Vorfälle aus der Zeit zwischen dem 26. und 31. März, bei denen Angehörige der eritreischen Community meist einzeln oder in Kleingruppen attackiert und misshandelt worden seien.
Zunahme der Bootspassagen
Seit Beginn des Jahres 2020 ist es ungefähr 500 Migrant_innen gelungen, auf Booten von der französischen und belgischen Küste nach Großbritannien zu gelangen. Obwohl im Februar mehrere schwere Stürme die Kanalregion heimsuchten und im März massive Einschränkungen der Bewegungsfreiheit aufgrund der Corona-Pandemie in Kraft traten, ist dies die höchste Anzahl für die Wintermonate seit der Verfestigung dieser maritimen Migrationsroute vor anderthalb Jahren.
Die Versorgung der Geflüchteten und ihrer Camps in Nordfrankreich hängt wesentlich von zivilgesellschlichen Vereinigungen ab, deren Arbeit seit vielen Jahren immer wieder von Polizeibehörden eingeschränkt und behindert wird. Dies ist auch während der Coronakrise der Fall, und mehr noch: Die Schutzmaßnahmen vor der Ausbreitung der Seuche werden offenbar dazu genutzt, die Arbeit der Organisationen und damit die Grundversorgung der Geflüchteten zu erschweren und zu kriminalisieren. Zwei der wichtigsten Vereinigungen, Auberge des Migrants und Utopia 56, haben sich am 8. April an die Presse gewandt. Gleichzeitig kündigten sie an, ihre Arbeit ungeachtet der bereits verhängten und künftig erwarteten Sanktionen fortzuführen.