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Calais

Utopia 56 über Polizeigewalt und Misshandlungen

Systemische Gewalt in Calais: Routinemäßige Räumung am Weltflüchtlingstag, 20. Juni 2021. (Foto: Human Rights Observers)

Am 21. Juni 2021 veröffentlichte die zivilgesellschaftliche Organisation Utopia 56 eine Liste aktueller Misshandlungsfälle, von denen sie bei ihrer Arbeit mit Geflüchteten in Calais erfahren habe. Genannt werden sowohl Fälle erniedrigender Behandlung, als auch Akte unmittelbarer physischer Gewalt. Über vergleichbare Fälle war seit den 2000er-Jahren mehrfach und von verschiedenen Akteur_innen berichtet worden; dennoch stechen die Schilderungen aus dem hervor, was in den vergangenen Jahren in Calais ‚normal‘ war. Der auf Facebook eingestellte und im Folgenden in deutscher Übersetzung dokumentierte Text ist als politische Anklage gegen den Präfekten des Pas-de-Calais angelegt. Zu Recht weist Utopia auf den systemischen Charakter der Gewalt in Calais hin, der nicht zwingend solcher unmittelbarer Brutalität bedarf. Dennoch bleibt zu hoffen, dass zumindest einige der Gewaltakte gerichtlich aufgearbeitet werden.

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Calais

Weitere Räumung im Zentrum von Calais

[Update, 12. Juni:] Lokalen Medienberichten und Aktivist_innen zufolge kam es am Morgen des 11. Juni 2021 abermals zu einer größeren Räumung in Calais. Sie richtete sich gegen ein oder mehrere Camps, die sich unter Brücken an den innerstädtischen Quais in der Nähe des Rathauses und des Bahnhofs gebildet haben. 41 Personen wurden von Dutzenden Polizisten, darunter CRS, in Busse gedrängt, die sie in Unterkunftszentren (CAES) im Departement Pas-de-Calais brachten. Es handelte sich um eine sogenannte mise à l’abri-Operation, die von den Behörden formal als humanitäre Unterbringung legitimiert werden. Bereits im Januar hatte dort eine ähnliche Polizeioperation stattgefunden (siehe hier).

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Calais Dunkerque & Grande-Synthe

Barrieren beim Zugang zu Kinderschutz in Frankreich

BUILDING POSITIVE MEMORIES überschreibt die Initiative Project Play in großen Lettern den Eingangstext ihrer Homepage. Mit spielerischen Mitteln versuchen die Mitarbeiter_innen von Project Play die Gefühle und Traumata von exilierten Kindern in Calais und Grande-Synthe – meist im Alter von 6 bis 12 Jahren – zu ergründen und zu verarbeiten. Beispielsweise erarbeiteten sie dazu 2018 ein Theaterstück mit exilierten Kindern. 

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Calais

Serie massiver Räumungen: Calais

Die Räumung des Unicorn und andere Narrative der Gewalt

Projektile (CS-Gas, einzelne Gummigeschosse) nach einer Auseinandersetzung zwischen Exilierten und der Polizei am 2. Juni. (Foto: Human Rights Observers)

Parallel zur Räumungsserie in Grande-Synthe (siehe hier) wurde in Calais das Camp Unicorn im Stadtteil Virval geräumt, das sich zuletzt zum Lebensort für rund 600 Menschen entwickelt hatte. Die Räumung fand in einer Phase statt, in der eine in ihrem Ausmaß bislang beispiellose Beschlagnahme von Zelten die Lebensbedingungen weiter verschlechtert hat. Zeitlich überschnitt sie sich außerdem mit zwei Ereignissen, bei denen es zu Gewalt zwischen Exilierten sowie mit der Polizei kam. In der öffentlichen Wahrnehmung verschmolzen diese Situationen zu einer Gewalterzählung, die die Räumung – fälschlicherweise – als Reaktion auf Gewalt erscheinen ließ. Anders als die meisten anderen Räumungen stieß sie dadurch auch auf überregionale mediale und politische Aufmerksamkeit. Es gilt also, den Ereigniskomplex zu entwirren.

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Calais Channel crossings & UK Solidarität

Zensurversuch gegen Warnhinweise

Laut Infomigrants und La Voix du Nord (€) hat eine britische Organisation mehrere von ihr finanziell unterstützte Organisationen in Calais, unter ihnen l’Auberge des migrants, Calais Food Collective, The Refugee Women Center, Refugee Info Bus und Maison Sesame aufgefordert, die Verteilung von Flugblättern einzustellen, auf denen vor den Gefahren einer Passage per Boot oder per LKW gewarnt wird und die Hinweise enthalten, wie Notlagen möglichst vermieden werden können und welche Verhaltensregeln im Falle einer Notlage befolgt werden sollten.

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Calais Channel crossings & UK Dunkerque & Grande-Synthe

Drohnen und Zellophan

Die Bootspassagen, ihre Verlagerung nach Dunkerque und ein improvisiertes Kanu in Calais

Nordfrankreich, Belgien und der Ärmalkanal. Die Markierung zeigt Leffrinckoucke bei Dunkerque, wohin sich ein Teil der Bootspassagen verlagert hat und wo die französischen Behörden am 19. Mai ihr neues Equipment präsentierten. (Karte: Openstreetmap)

Mehr als 3.000 Geflüchtete haben Großbritannien seit Jahresbeginn in kleinen Booten erreicht, etwa ein Drittel von ihnen trotz phasenweise ungünstiger Witterung im Laufe des Mai. Dies sind etwa doppelt so viele Personen wie im Vorjahreszeitraum, als die gleiche Anzahl erfolgreicher Passagen erst in der zweiten Julihälfte registriert wurde. Infolge der stärkeren Kontrolle der französischen Küste bei Calais rückt nun der Küstenabschnitt zwischen Dunkerque und der belgischen Grenze stärker in den Fokus. Doch auch von Calais legen weiter Boote ab. Ende Mai wurde dort sogar ein Boot entdeckt, das aus Stöcken und Zellophan zusammengesetzt worden war.

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Calais Channel crossings & UK Solidarität

„Gerechtigkeit für Aleksandras Familie“

Im Februar dokumentierten wir hier den offenen Brief einer Frau über den Verlust ihres neu geborenen Kindes Aleksandra. Sie klagt darin das Verhalten der französischen Polizisten an, die nach einer misslungenen Bootspassage keinerlei Hilfe leisteten, als die Geburt einsetzte. Später, bei der Geburt, kam es zu Komplikationen und Aleksandra starb nach wenigen Tagen. Die Familie hat inzwischen Anzeige gegen die beteiligten Beamten erstattet. In einer gemeinsamen Erklärung, die wir nachstehend in deutscher Übersetzung veröffentlichen, solidarisieren sich nun zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen mit der Familie. Die Erklärung ist auch in Französisch, Englisch und Sorani verfügbar.

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Calais Dunkerque & Grande-Synthe

Ausbeutung und Privileg

„We thank your government for our full pockets“ – Calais smugglers speak, so betitelt der Guardian einen lesenswerten Artikel vom 10. Mai 2021. Die Autorin Mathilda Mallinson lässt hier Geflüchtete, Schmuggler und Unterstützer_innen zu Wort kommen. Sie alle berichten, dass aufgrund der zunehmenden Sekuritisierung der englischen Grenze die mafiösen Strukturen immer mächtiger werden. Migrant_innen berichten von einem Geflecht aus Gewalt und Angst sowohl durch die hier schon hinlänglich dokumentierte Polizeigewalt als auch von Seiten der immer stärker werdenden Mafia.

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Calais Solidarität

Die Fährbesetzung 2019

Ein Rückblick aus aktuellem Anlass

In den Reaktionen auf das (angeblich) versuchte Eindringen von etwa hundert Geflüchteten auf das Gelände des Calaiser Hafens in der Nacht vom 13. auf den 14. Mai 2021 (siehe hier) wurde häufig auf eine Hafen- bzw. Fährbesetzumg im März 2019 hingewiesen. Beiden Ereignissen ist gemeinsam, dass sie sich an einem der am stärksten sekuritisierten Orte Frankreichs ereigneten, der zugleich ein besonders neuralgischer Punkt der externalisierten britischen Grenze ist. Beide Ereignisse verbindet aber auch, dass niemand derjenigen, die später darüber berichteten, anwesend war. Und beide werden durch das Narrativ miteinander verknüpft, dass Schmuggler_innen als Hintermänner agiert haben sollen. Wir möchten dies zum Anlass nehmen, einige bislang nicht veröffentlichte Recherchen über die Hafenaktion im März 2019 vorzustellen, die die damaligen Ereignisse in einem anderen Licht erscheinen lassen.

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Calais

Rund einhundert Exilierte im Hafen von Calais?

Zäune an der Zubringerautobahn zum Fährhafen, aufgenommen im April 2018 (Foto: Th. Müller)

In der Nacht vom 13. Mai auf den 14. Mai haben rund einhundert Exilierte um kurz nach drei Uhr morgens einen Maschendrahtzaun durchtrennt und versucht, auf das Hafengelände oder auf Lastwagen zu gelangen. Gleichzeitig wurden auf der Hafenzufahrt Hindernisse aus Holzplanken und anderen Materialien errichtet, um Fahrzeuge in Richtung England zum Bremsen oder Anhalten zu zwingen. Dies berichten La Voix du Nord, NordLittoral (€), France Bleu, Le Figaro und DailyMail in ihrer jeweiligen Onlineausgabe.