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Calais

Keine Räumung des besetzten Hauses bis 2025

Das Haus in der Rue Frédéric-Sauvage nach der Besetzung, Februar 2022 (Foto: Calais Logement pour Tous.tes)

Am 7. Februar 2022 besetzten Aktivist_innen zwei Gebäude in Calais, um Exilierten eine menschenwürdiges Wohnen zu ermöglichen und einen Raum für gemeinsames solidarisches Handeln zu eröffnen. Nach der Räumung des größeren Gebäudes – eines Hochhauses in einem Außenbezirk der Stadt – blieb das andere bestehen (siehe hier, hier und hier). Nun ist seinen Nutzer_innen ein juristischer Erfolg gelungen, der es ihnen erlaubt, das Projekt für die Dauer von drei Jahren fortzuführen. Allerdings war das Gerichtsverfahren von Festnahmen und Abschiebungen begleitet und kann noch angefochten werden.

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Calais

Gericht stoppt Hilfsverbote

Anlaufstelle für warme Mahlzeiten am Rand eines Camps zur Zeit vor den Verboten, Mai 2017. (Foto: Th. Müller)

Seit 2020 galt in Calais fast ununterbrochen ein Verbot kostenloser Wasser- und Nahrungsverteilungen an Exilierte, sofern diese Hilfe in bestimmten Teilen der Stadt und ohne staatlichen Auftrag erfolgte. Faktisch war es unabhängigen Organisationen damit untersagt, lebenswichtige Hilfe dort zu leisten, wo sie gebraucht wird: bei den Camps. Eine Klage der betroffenen Organisationen hatte nun Erfolg: Das Verwaltungsgericht in Lille hob die Verbotsverfügungen der Präfektur auf. Die Solidaritätsbewegung hat auf einem wichtigen juristischen Konfliktfeld damit einen Sieg errungen.

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Calais

Über 1.700 Räumungen in diesem Jahr?

Prognose von Human Rights Observers zur Entwicklung der Räumungen in Calais bis zum Jahresende 2022. (Quelle: Human Rights Observers)

Bereits jetzt haben in Calais und Umgebung im laufenden Jahr mehr Räumungen informeller Lebensorte stattgefunden als je zuvor (siehe hier und hier). Bis zum Jahresende könnte ihre Zahl auf über 1.700 ansteigen; sie würde dann um 42 % höher liegen als im Vorjahr. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Prognose von Human Rights Observers (HRO).

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Calais

Antimigrantische Zwecklandschaft

Steine und Werbetafel auf einem Camp-Gelände in der Innenstadt von Calais, September 2022. (Foto: Human Rights Observers)

Erneut blockierte die Stadtverwaltung von Calais einen informellen Lebensort von Gefüchteten am Quai du Danube auf brachiale Weise. Schwere Felsklötze wurden am 13. September 2022 großflächig auf dem Areal verteilt, sodass es nicht mehr möglich ist, sich dort in Zelten niederzulassen. Das Gelände befindet sich in der Innenstadt von Calais und war in den vergangenen Wochen einem schrittweise verstärkten Druck ausgesetzt.

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Calais

Polizeigewalt in Calais

In der Nacht vom 22. auf den 23. August kam es in Calais zu einem Vorfall von mutmaßlicher Polizeigewalt, in dessen Verlauf zwei 18jährige Eritreer von Beamten der Compagnie Républicaine de Securité (CRS) misshandelt und hilflos zurückgelassen wurden. Polizeigewalt gegenüber Exilierten ist in Calais nicht selten; das besondere an dem genannten Vorfall ist die spätere Meldung eines anonymen Zeugen – nach eigenen Angaben selbst Angehöriger der CRS.

Wir dokumentieren im folgenden die Erklärung der Organisation Utopia 56 vom 8. September 2022 zu dem Vorfall in eigener Übersetzung.

Nach Presseberichten hat die Staatsanwaltschaft von Boulogne-sur-Mer inzwischen Ermittlungen aufgenommen und die in Frankreich für die Aufklärung von durch Polizist_innen begangene Straftaten zuständige Inspection générale de la Police nationale (IGPN) mit der Untersuchung des Vorfalls beauftragt.

Screenshot aus der Pressemitteilung von Utopia56 (Foto: Utopia 56)
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Calais

Rückkehr der Hilfsverbote

Auf Anweisung des französischen Innenministers erließ der damalige Präfekt des Departements Pas-de-Calais, Louis de Franc, am 10. September 2020 zum ersten Mal ein Verbot bestimmter zivilgesellschaftlicher Hilfeleistungen in Calais (siehe hier). Das Verbot zwar zeitlich befristet, allerdings verlängerte die Präfektur es über zwanzig Mal und passte es, wenn nötig, einer Veränderung der Camp-Standorte an. Im April 2022 endete das Verbot stillschweigend, indem keine weitere Verlängerung erfolgte. Eine Verbesserung der Stuation bedeutete dies, soweit wir es beurteilen können, nicht wirklich. Nun aber hat ein neuer Präfekt, Jacques Billant, ein neues Verbot verfügt. Momentan untersagt es die kostenlose Verteilung von Wasser und Nahrung im Umfeld zweier innerstädtischer Camps in Calais. Wie die frühere Serie von Hilfsverboten, behindert und delegitimiert es die Arbeit unabhängiger Organisationen und schafft die Illusion einer staatlichen Fürsorge, die sich in der Realität jedoch als Element einer antimigrantischen Ordnungspolitik für den städtischen Raum erweist.

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Calais

Vielleicht ein weiterer Todesfall an der Grenze

In einem Kanal am westlichen Rand der Innenstadt von Calais wurde am 12. August 2022 die Leiche eines unbekannten Mannes entdeckt. Bis heute sind viele Fragen offen. Weder die Identität der Person konnte geklärt werden, noch ist die Todesursache bekannt. Obschon Indizien darauf hindeuten, dass es sich um einen undokumentiert in Calais lebenden Migranten handeln könnte, ist auch dies bislang ungeklärt.

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Calais

Vier Jahre in flagranti

Video von Human Rights Observers, 8. August 2022. (Quelle: HRO / Twitter)

Mindestens 4.684 mal innerhalb von vier Jahren räumten Polizei und Gendarmerie in Calais ein Camp in flagranti. Diese spezielle Praxis von Räumungen – sie zielen nicht auf die Auflösung eines Siedlungsplatzes oder die Evakuierung der Bewohner_innen, sondern wiederholen sich an gleicher Stelle im Turnus von etwa 36 bis 48 Stunden (siehe hier, hier und hier) – begann vor genau vier Jahren, am 8. August 2018. Damals wurden bis zum Jahresende 452 Räumungen gezählt, in den beiden folgenden Jahren waren es 961 (2019) und 967 (2020). In diesem Jahr stieg die Zahl signifikant: Zwischen dem 1. Januar und dem 8. August 2022 waren es mindestens 1.079.

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Calais

Ein bisschen kolonial

Polizeikontrolle in Calais, 12. Juli 2022 (Quelle: Human Rights Observers / Twitter)

Einen Einblick in die Lebenswirklichkeit on the move gibt ein Video, das Betroffene während einer Polizeikontrolle am 12. Juli 2022 in Calais aufnahmen. Der von Human Rights Observers veröffentlichte Film zeigt, wie Angehörige der Polizeieinheit CRS sich über Exilierte lustig machen und ihnen ihre Überlegenheit demonstrieren. Ihr Ton ist höhnisch und herablassend, und sie selbst sind es, die in flapsigem Ton auf koloniale Muster Bezug nehmen. „Polizeigewalt dieser Art gibt es ständig. Der Unterschied ist, dass es normalerweise keine Bilder gibt“, sagte Laure Saboureux von Human Rights Observers dem französischen Onlinemedium InfoMigrants. „Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs“.

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Calais Dunkerque & Grande-Synthe

Konfisziertes Wasser

Abtransport eines beschlagnahmten Trinkwasserbehälters in Loon Plage, 20. Juli 2022. (Video: Human Rights Observers)

Der 19. Juli 2022 war auch in Nordfrankreich ein Tag mit extremer Hitze. Die Temperatur lag bei knapp 40°C und die Präfektur der Region Hauts-de-France und Nord verbreitete auf Social Media eine Serie von Infografiken über die Bedeutung des Trinkens und den Schutz vulnerabler Personen. Der Zugang zu Trinkwasser ist bei einer solchen Wetterlage in der Tat existenziell, für Hunderte Migrant_innen in Calais und bei Dunkerque aber nicht gegeben. Wir berichteten an dieser Stelle bereits mehrfach über den ungenügenden und zuweilen schlicht fehlenden Zugang zu Trinkwasser (siehe zuletzt hier). Ein aktuelles Beispiel ist die Beschlagnahmung eines Trinkwasserbehälters am Tag nach dem bisherigen Hitzerekord in Loon Plage bei Dunkerque, dem Standort eines der größten informellen Camps der Region.